Contergan: Leben mit einer Tragödie

Eine einzige Tablette veränderte ihr Leben. Catia Monser aus Düsseldorf lebt seit 46 Jahren mit der Behinderung.

<strong>Düsseldorf. Catia Monser, geboren am 29. Juni 1961: eine aktive Frau, Diplom-Sozialpädagogin, die einmal in der Woche Tischtennis spielt, im Verein Skat "drischt", regelmäßig schwimmt und einen kleinen Verlag besitzt. Ein fast normales Leben. Die 46-Jährige ist ein Contergan-Opfer. Für sie ist dieser Montag ein denkwürdiger Tag: Vor genau 50 Jahren kam das Medikament mit dem gefährlichen Wirkstoff Thalidomid auf den Markt, das zum größten deutschen Medizin-Skandal wurde. Für die Düsseldorferin war die Behinderung ein Ansporn, sich mit den Ursachen des Unglücks auseinanderzusetzen. Inzwischen hat sie das größte Contergan-Archiv der Welt gesammelt. "Die Exponate gehen in die Zehntausende. Jeden Tag kommen Zeitungsartikel oder Fotos hinzu. Aber auch Akten und sogar die Werbegeschenke der Firma Grünenthal habe ich archiviert", erzählt die Frau, die an beiden Händen jeweils nur drei Finger und nur ein gesundes Bein hat. "inzwischen platzt meine Wohnung schon aus allen Nähten."

Auch der Opfer-Anwalt wollte den Fernseh-Film verhindern

Als Beraterin war die 46-Jährige auch an dem Film "Eine einzige Tablette" beteiligt, der nun am 7. und 8. November nach langem Gerichtsstreit endlich ins Fernsehen kommen soll: "Ich war bei den Dreharbeiten dabei und finde gut, dass die Problematik als Spielfilm mit fiktiver Handlung dargestellt wird." Kein Verständnis hat sie dafür, dass neben der Firma Grünenthal auch der damalige Opfer-Anwalt Karl Hermann Schulte-Hillen versucht hat, die Ausstrahlung des Zweiteilers zu verhindern: "Dabei wird der sehr positiv dargestellt.

Catia Monser musste wegen der Entschädigung prozessieren

Am 27. November 1961 wurde Thalidomid vom Markt genommen. Doch es dauerte noch sieben Jahre, bis mit der Hauptverhandlung die langwierige juristische Aufarbeitung der Katastrophe begann. Monser: "Es gab damals noch keine Meldepflicht. Darum weiß man auch bis heute nicht genau, wie viele Geschädigte es überhaupt gibt. Das Mittel verursachte auch Schäden an den inneren Organen, an denen die meisten Kinder gestorben sind."

Für die Opfer gab es damals eine Einmal-Zahlung von 25 000 Mark. Damit wurden die Kosten abgedeckt, die für Rollstühle oder behindertengerechen Ausbau der Wohnung entstanden waren. Hinzu kommt eine Rente, die bei Catia Monser heute 545 Euro beträgt.

Auch Catia Monser musste nicht nur gegen ihre Behinderung kämpfen: "Als ich mit 18 Jahren ausgezogen bin, haben meine Eltern den Kontakt mit mir abgebrochen." Bald stellte sie fest, dass der Vater ihr Geld in Eigentumswohnungen angelegt hatte. Die junge Frau musste prozessieren, um ihren Besitz zurück zu bekommen. Ihre Eltern hat sie bis heute nicht wiedergesehen.

Einführung Das Schlafmittel Contergan mit dem Wirkstoff Thalidomid kam am 1. Oktober 1957 auf den Markt. Es wurde oft Schwangeren verschrieben, weil es auch gegen die übliche Morgenübelkeit wirkte. Im Beipackzettel wurde die "ungewöhnlich gute Verträglichkeit" gepriesen.

Folgen Später stellte sich heraus, dass es im ersten Schwangerschaftsdrittel in den Wachstumsprozess des Ungeborenen eingreift. Je nach Zeitpunkt der Einnahme kam es zu Arm- oder Beinmissbildungen. Nach massivem öffentlichen Druck wegen 12 000 missgebildeter Kinder weltweit zog der Hersteller Grünenthal das Mittel rund vier Jahre nach der Markteinführung zurück.

Entschädigung Eine heute aus Bundesmitteln gespeiste Stiftung zahlt den Opfern eine monatliche Rente - je nach Grad der körperlichen Schädigung. Wegen der jahrzehntelangen atypischen Belastungen leiden viele Betroffene unter massivem Gelenkverschleiß und den damit verbundenen enormen Schmerzen. Im Zuge der Gesundheitsreform müssen heute viele Betroffene um Verordnungen etwa für Krankengymnastik wieder kämpfen.

Gesetze Arzneimittel und ihre Zulassung sind infolge des Contergan-Skandals nach Expertenangaben viel sicherer geworden. Heute gebe es durch die Arzneimittelgesetzgebung hohe Hürden für die Zulassung neuer Wirkstoffe, zugelassene Medikamente würden permanent überwacht. Dass es heute nochmal zu einem Contergan-Skandal kommen könnte, halten Fachleute für "Wahrscheinlich ausgeschlossen".

Internet www.contergan.de