Das höchste Instrument der Welt
US-Komponist Joseph Bertolozzi entlockt dem Pariser Eiffelturm Töne — und macht daraus Musik.
Paris. Joseph Bertolozzi sucht Töne. Er schlägt, streicht, klopft, hämmert, trommelt. Mit Stöcken, Schlägeln, Besen, Ketten. Selbst ein Stück Baumstamm wuchtet der Musiker gegen sein Instrument. Der Klangkörper kann es verkraften: Mehrere tausend Tonnen Stahl wachsen da 324 Meter unverrückbar in den Himmel. Der US-Komponist bringt den Eiffelturm zum Klingen. Für ein neues Werk entlockt der 54-Jährige dem Pariser Wahrzeichen alle nur erdenklichen Töne. Bertolozzi ist sicher: „Der Eiffelturm hat eine Stimme.“
Das von vielen als „verrückt“ bezeichnete Projekt begann 2004 mit einem Zufall. In seiner Wohnung in New York trommelte Bertolozzi auf der Suche nach Klängen auf allem herum, was gerade in der Nähe stand. Seine Frau imitierte ihn und schlug an ein Poster des Eiffelturms. „Das war es“, erzählt der Musiker. „Aber ich hab sofort gedacht: Ich kann kein Französisch und habe auch keine Kontakte in Paris.“
Als Referenz musste etwas in der Heimat her. Bertolozzi machte sich an „Brücken-Musik“ und entlockte der Mid-Hudson Bridge in New York Töne. „Ich brauchte das, um das Konzept zeigen zu können.“ Das Ergebnis stieß auch jenseits des Bauwerks auf Interesse: Die Komposition schaffte es als CD auf Platz 18 der Crossover-Charts.
„Ich hab mich dann an den Computer gemacht und gesucht: Wem gehört der Eiffelturm?“ Bertolozzi war schnell fündig: „Der Bürgermeister von Paris ist für alles zuständig.“ Sechs Anschreiben und einige Monate später kam das „Go“ aus Paris. Bertolozzi sollte für sein Projekt zwei Wochen mit und auf dem Turm bekommen. „Ich habe mir mit dem Chefingenieur den ganzen Eiffelturm angeschaut, wir sind alles abgelaufen“, erzählt Bertolozzi, „Sie wollten sehen, was wir vorhaben. Also habe ich ein Aufnahmegerät mitgebracht.“
Die Aufnahmen sind nun harte Arbeit für das achtköpfige Team aus Komponist, Produzent, Tontechnikern, Kameramann und Fotograf. „Jeden Tag acht, neun Stunden auf dem Turm.“ Handläufe, Gitter, Türrahmen, Spindel, Pfeiler, Bodenplatten — überall kleben die Kontaktmikrophone, die Schwingungen direkt aufnehmen. Anschließend werden dann unzählige neue Töne, Sounds, Klänge in die Rechner des Teams geladen.
Die Komposition auf Basis des Bauwerks könnte eine Suite, eine Art Zyklus, werden. Aber: „Mit meiner Unerfahrenheit mit dem Instrument kann ich nicht genau sagen, was es wird. Ein Stück könnte experimenteller werden als das andere.“