Das Rad bekommt eine geklebt
Die Neusser Polizei ersetzt die Gravur durch eine Plakette – und erntet dafür Protest.
Neuss/Düsseldorf. Fahrradfahrern wird ein eher ruhiges Gemüt nachgesagt. Doch in Bezug auf Aufkleber, die neuerdings bei Fahrradcodierungen der Polizei im Rhein-Kreis Neuss im Einsatz sind, steht den Mitgliedern des NRW-Verbandes des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) der Schaum vor dem Mund. "Das zertrümmert ein System der bundesweiten Wiederauffindung von gestohlenen Fahrrädern, das wir in jahrelanger Arbeit mit den Polizeibehörden aufgebaut haben", schimpft Ulrich Kalle, Geschäftsführer des ADFC-Landesverbandes.
Der Grund der Aufregung: Aufkleber mit Strichcode und amtlicher Nummer ersetzen in der Quirinusstadt und den umliegenden Städten am Niederrhein das mühevolle Einstanzen in den Fahrradrahmen. In wenigen Minuten soll das Fahrrad offiziell erfasst sein. "Wir haben mit den Aufklebern bislang gute Erfahrungen gemacht", lobt Kreispolizeisprecher Hans-Willi Arnold die Neuerung.
Zwar sei die Aufklärungsquote von Drahteseldiebstählen dadurch nicht wesentlich verbessert, und es würden auch nicht weniger Fahrräder gestohlen. "Doch die Aktzeptanz auf Seiten der Fahrradbesitzer ist erhöht, weil der Radrahmen offenkundig nicht mehr beschädigt wird." Bestätigen kann dies Antje Heymanns von der Polizei im Kreis Viersen. Auch dort sind die Sticker im Einsatz. "Das Einfräsen ist ein höherer Aufwand. Das Rad muss in einen Rahmen eingespannt werden. Das konnte gerne mal eine Viertelstunde dauern."
Die Polizei in Krefeld führt seit Jahren keine Rad-Codierung mehr durch. Dort ist dafür die von der Diakonie Krefeld-Viersen betreute Radstation am Bahnhof zuständig, wo man angesichts der neuen Aufkleber allerdings eher die Stirn runzelt. "Wir fräsen die Nummer noch ein", berichtet Matthias Kirchberger von der Diakonie. "Klar gibt es Halter, die fragen, ob das Beschädigungen hervorruft. Aber sicherer ist das schon, weil eine fest mit dem Fahrrad verbundene Nummer abschreckender für Diebe ist." Dafür dauere das Einfräsen etwas länger.
"Tatsächlich geht das Aufkleben schneller vonstatten", lobt Polizeikommissar Volkmar Kriegs, der mit seinem Kollegen Polizeihauptkommissar Klaus Molzberger an der Neusser Rennbahn Fahrräder mit den Klebern versieht, die neue Methode. Ein prüfender Blick auf die Verkehrstüchtigkeit des Drahtesels und in den Kaufvertrag gehören dazu. Der Fahrraddieb sei ein Beschaffungstäter, berichtet Kriegs: "Der verkauft das Rad innerhalb einer halben Stunde weiter und hat keine Zeit, den gut haftenden Aufkleber abzuknibbeln."
Ulrich Kalle vom ADFC-NRW hält das für "vollkommenen Quatsch": "Jeder, der da mit Nagellackentferner drangeht, hat das Ding in kurzer Zeit runter." Beim ADFC gärt es jedoch vor allem, weil das neue Codierungssystem eigentlich keines sei. "Die eingefräste Nummer bestand aus einem Zahlen- und Buchstabensystem, das jeder Polizist zwischen Garmisch und Flensburg ohne Anruf oder Ablesegerät entziffern konnte, und das Rückschlüsse auf den Halter und den Wohnort gab." Nun lege lediglich die Kreispolizei Neuss eine Datei an, auf die andere Behörden keinen Zugriff hätten.