Das schräge Genie: Picasso im Fotoporträt

Köln (dpa) - Jeder kennt Picasso - und das hat auch mit seinem Talent als Selbstdarsteller zu tun. Eine Ausstellung in Köln zeigt jetzt, wie er im Bund mit den bekanntesten Fotografen seiner Zeit den Mythos vom schrägen Genie in die Welt setzte.

Bei dem Namen Monet denkt man an Seerosen, bei Leonardo an die Mona Lisa, bei Rubens an Frauenleiber - und bei Picasso? Da ist die erste Assoziation nicht unbedingt ein bestimmtes Werk, sondern sein eigenes markantes Gesicht mit der großen Nase und den dunklen, durchdringenden Augen. Porträt-Fotografien haben unser Bild von ihm wesentlich geprägt. Dennoch ist dieser Aspekt bisher nicht eingehend untersucht worden. Das Museum Ludwig in Köln füllt diese Lücke jetzt mit einer großen Ausstellung: „Ichundichundich - Picasso im Fotoporträt“.

Die Schau präsentiert vom 24. September bis zum 15. Januar mehr als 250 Aufnahmen unter anderem von Robert Capa, Richard Avedon, Cecil Beaton, Herbert List, Man Ray, Lee Miller und Arnold Newman. Der Unterhaltungswert ist hoch, denn sobald eine Kamera in der Nähe war, wurde Picasso zum Komödianten: Er spielt einen Indianerhäuptling und posiert mit einem von Gary Cooper geschenkten Revolver, er setzt sich abwechselnd Kapitänsmütze, Clownsnase und Popeye-Maske auf, er schrubbt sich in der Badewanne den Rücken, er simuliert seine Verhaftung durch zwei Polizisten oder parodiert einen Aktmaler alter Schule.

Unverkennbar machte ihm das Posieren großen Spaß. Für das arbeitswütige Multitalent müssen die Foto-Shootings „wie Zigarettenpausen“ gewesen sein, glaubt die Kuratorin Kerstin Stremmel. Fotografen, die ihn noch erlebt haben, beteuern übereinstimmend, nie ein willigeres Modell vor die Linse bekommen zu haben.

Doch obwohl alles so spielerisch erscheint, darf man das Maß an Berechnung nicht unterschätzen - vielfach bestellte Picasso die Fotografen selbst. Er setzte sich in Szene: Auf einem Intellektuellen-Kongress kurz nach dem Krieg erscheint er zum Beispiel im Dreiteiler und lässt sich ungewohnt ernst mit Denkerstirn ablichten. Im Atelier erfüllt er in geradezu klischeehafter Weise die Erwartungshaltung der andächtigen Besucher und mimt den versunken an der Staffelei arbeitenden Künstler.

Dabei hatte er es gar nicht nötig, die Fotografen zu lenken, denn wenn sie zu ihm kamen, hatten sie längst ein festes Bild von ihm im Kopf, das sie zu bestätigen suchten. So geht das berühmt gewordene Bild von Picasso mit den Brötchenhänden - die Hörnchen liegen so an der Tischkante, dass sie auf den ersten Blick wie riesige Patschhände erscheinen - auf eine Idee des Fotografen Robert Doisneau zurück.

Der Einfluss solcher Bilder lässt sich kaum überschätzen. Die überaus komplizierte Gedankenwelt des Künstlers Picasso wurde damit auf ein Bild reduziert, das einfach genug war, um durch die Massenmedien transportiert zu werden: Picasso, das schräge Genie. Erst dadurch konnte seine Kunst - die lange feindselige Reaktionen hervorrief - wirklich populär werden. Erst so wurde er zum modernen Künstler schlechthin.

Picasso zensierte die Fotografen nicht, aber er traf allein schon dadurch eine Vorauswahl, dass er sich ihnen nur in bestimmten Situationen zeigte. An dieser Stelle wäre es interessant gewesen, wenn die Ausstellungsmacher noch näher untersucht hätten, inwieweit Picasso bestimmte Seiten seiner Persönlichkeit und seines Künstlertums verbarg. Denn er war stets darauf bedacht, die Aura des Geheimnisvollen zu erhalten. „Er will auf keinen Fall, dass man ihn durchschaue“, hat der französische Maler Maurice de Vlaminck (1876-1958) über ihn gesagt. Und er selbst gab die Losung aus: „Jede Unterhaltung mit dem Piloten ist verboten.“