Den Schlimmsten auf der Spur

Kriminalität: Seit 60 Jahren fahndet das FBI mit der berühmten „Most-Wanted“-Liste nach den zehn meistgesuchten Verbrechern der USA.

Washington. Der eine ermordet während einer Kneipenschlägerei seine Ehefrau und zwei Schwager. Der andere ist Drahtzieher der schwersten Terroranschläge auf US-Boden. So unterschiedlich ihre Verbrechen sind, ist beiden eines gemein: Thomas Holden und Osama bin Laden stehen auf der wichtigsten Liste in Sachen Verbrechensbekämpfung der USA: auf der legendären Liste der zehn meistgesuchten Schwerverbrecher des FBI.

Holden ist am 14. März 1950 der erste, der seinen unrühmlichen Platz erhält, El-Kaida-Chef Bin Laden ist derzeit der prominenteste. Jetzt feiert die Liste der "Ten Most Wanted Fugitives" ihren 60. Jahrestag.

In der berühmt-berüchtigten Verbrechersammlung findet sich das ganze Spektrum: Mörder, Pädophile, Drogendealer und Terroristen, früher auch Bankräuber, Betrüger oder Autodiebe. Zum Geburtstag kann die Liste auf viele Erfolge zurückblicken. "94 Prozent der bis heute etwa 500 Meistgesuchten haben die Bundespolizisten früher oder später gefasst", sagt FBI-Sprecher Ken Hoffman. Für die rund 13000 Agenten der Bundespolizei gilt es als Meilenstein in der Karriere, wenn sie einen der Schwerverbrecher in die Finger bekommen.

Besonders flott klickten die Handschellen Ende der 60er Jahre bei Billy Austin Bryant. Nach nur zwei Stunden als "Top Tenner" war der Bankräuber und Mörder verhaftet. Am längsten verteidigte Donald Eugene Webb, Mörder eines Polizeichefs, seinen Platz. Nach 25 Jahren und 10 Monaten strich das FBI ihn 2007 von der Liste: Er wurde nie gefangen, und es ist unklar, ob er überhaupt noch lebt. Auf der Liste finden sich fast nur "schwere Jungs", aber kaum Verbrecherinnen: Bisher waren nur acht Frauen drauf.

Die bebilderte Aufstellung der Schlimmsten der Schlimmen entstand durch Zufall. Ein Journalist fragte das FBI im Jahr 1949 für einen Artikel nach den zehn härtesten Jungs, die aktuell gesucht würden. Das FBI gab dem Reporter die Namen. Der damalige Direktor J. Edgar Hoover machte die erste provisorische Liste im folgenden Jahr dann zur Institution, damit die Bürger bei der Suche nach Schwerverbrechern helfen können. Und das mit Erfolg: Von den knapp 500 Gesuchten fasste das FBI 152 aufgrund von Tipps aus der Bevölkerung.

Mit den Jahrzehnten änderten sich die Bedrohungen - und mit ihnen die Auswahl der gefährlichsten Verbrecher. In den 1950er Jahren standen noch Autodiebe oder Bankräuber auf der Liste. Heute müssen Kriminelle deutlich mehr auf dem Kerbholz haben - wie Joe Luis Saenz. 1998 soll er seine Freundin entführt, vergewaltigt und wie drei weitere Menschen umgebracht haben.

Die berühmte Liste verschicken die FBI-Mitarbeiter mittlerweile auch über einen E-Mail-Verteiler und soziale Netzwerke wie Twitter oder Facebook. Rund 33000 Twitter-Anhänger und knapp 19000 Facebook-FBI-Fans verfolgen so jede Änderung der Liste - und diese Zahlen steigen Monat für Monat, wie Sprecher Hoffman sagt. Ein virtueller Aushang in der Internet-Welt "Second Life" ist hingegen noch in der Testphase.

Wer den Verdacht hat, jemanden von der Liste zu kennen, kann per Handy das Foto runterladen, vergleichen und direkt die über GPS ermittelte Position per E-Mail ans FBI schicken. Den technischen Möglichkeiten der Verbrecherjagd scheinen keine Grenzen gesetzt, und die Ermittler sind hoffnungsfroh. "Bisher haben wir aufgrund der sozialen Netzwerke noch keine Festnahmen gemacht", sagt Hoffman. "Aber das ist nur eine Frage der Zeit."