Der Champagner-Rebell
Bruno Paillard gründete im Alter von 27 Jahren sein eigenes Weinhaus — und lehrte die Branche das Staunen.
Paris. Bruno Paillard hält die Nase ins Glas, atmet langsam ein und schließt andächtig die Augen. Eine Weile hält er so inne, bis sich ein glückseliges Lächeln auf sein Gesicht legt. „Sehr floral, fruchtig und frisch“, beschreibt er den rosagoldenen „Rosé Première Cuvée“, den Verkaufsschlager seines jungen Hauses.
Eine Champagner-Verkostung mit dem Meister höchstpersönlich ist ein Erlebnis „par excellence“ — so prickelnd wie seine „Cuvées“. „Ja“, bekennt der 57-Jährige, „es ist eine leidenschaftliche Liebe, die ich zum Champagner empfinde.“
In Paillards Leben dreht sich seit jeher alles um den König der Schaumweine. Wann er seinen ersten getrunken hat? „Bestimmt schon am Tag der Geburt“, scherzt er. Seine Vorfahren leben schon seit drei Jahrhunderten in der Champagne — und als Weinmakler vom Champagner.
C-h-a-m-p-a-g-n-e. So sehr dieses elektrisierende Wort Assoziationen an Luxus, Lust und Raffinesse weckt: Der eher raue Landstrich ist das exakte Gegenteil von überschäumender Ausschweifung. Es ist eine fein austarierte und nahezu hermetisch abgeschottete Welt, streng reglementiert — so wie das parzellierte Rebland. Aus diesem engen Korsett auszubrechen, ist ein Kunststück.
Doch Bruno Paillard hat es riskiert. Er gründet, erst 27-jährig, sein eigenes Champagner-Haus in Reims: das „Maison Bruno Paillard“. Tapfer behauptet sich der Champagner-Rebell gegen die Branchen-Goliaths — die Lansons und Mumms, die Taittingers und Krugs, die zum Teil schon seit 250 Jahren Könige, Millionäre und Stars beliefern. „Es war, als hätte ich den Montblanc über die Nordseite erklommen“, sagt er am Montag triumphierend.
Dabei wirkt die Bilderbuchkarriere im Nachhinein so simpel wie das kleine Einmaleins. „Ich habe mir ganz einfach die Trauben aus den besten Lagen besorgt.“ Schließlich kennt er die Winzer und sie ihn. Man ist unter sich: unter „Champenois“, unter Leuten mit Kreide unter der Sohle.
Und schon sticht der zweite Trumpf. Während große Häuser ihre Flaschen millionenfach in kathedralenähnlichen Gewölben, kilometerlang und bis zu dreißig Meter tief, reifen lassen, stampft der Newcomer eine hochmoderne Übertage-Kellerei mit pfiffiger Kühltechnik aus dem Boden. „Das war damals revolutionär.“
Die Branche ist in jenen Tagen noch beschwipst vom blühenden Geschäft mit Schampus einfacher Bauart, da marschiert Paillard, der Querkopf, in die andere Richtung. Er setzt auf Klasse statt Masse.
Das Ergebnis ist ein Wein, den Liebhaber auf Weinkarten von Spitzengastronomen finden. Für die „Cuvée Nec Plus Ultra 1995“ etwa müssen Gäste des Pariser Luxus-Restaurants „Le Meurice“ gut 400 Euro hinblättern.
Und zu welchen Anlässen empfiehlt Monsieur Paillard nun, den Korken aus der Flasche zu lassen? Er nimmt einen Schluck Rosé, lässt ihn am Gaumen entlang rollen. Dann sagt er: „Eine Begegnung, ein Blick, ein Trost, ein Sonnenaufgang — jeder Tag ist ein Champagner-Tag.“