Keine Mehrheit gegen Phosphate Der Döner bleibt, wie er ist - gleichberechtigt mit Kassler
Straßburg (dpa) - Es war knapp für den Döner, sehr knapp. 373 Ja-Stimmen zeigten im Europaparlament die Anzeigetafeln für eine Entschließung an.
Mit ihr sollte die EU-Kommission gehindert werden, den Döner, anderswo schlicht Kebab genannt, in die Liste jener Lebensmittel aufzunehmen, die mit einer geringen Phosphorzugabe noch haltbarer und noch knackiger gemacht werden dürfen.
Doch es reichte nicht: Drei Stimmen fehlten zur absoluten Mehrheit von 376 Stimmen - und die wäre an diesem Tag im Straßburger Parlament nötig gewesen, um die Kommission zu stoppen.
Der Döner darf also bleiben wie er ist. Für die einen war das eine gute Nachricht. Für Renate Sommer beispielsweise. Die CDU-Abgeordnete aus Nordrhein-Westfalen hatte noch in der Nacht vor der Abstimmung vor den schwer verdaulichen Folgen eines Phosphat-Verbots gewarnt: „Ohne Phosphat kein Döner, sondern ein zusammengesackter Fleischhaufen - ein Hygienerisiko.“
Die SPD-Abgeordnete Susanne Melior sah das ganz anders: „Was Sie hier machen, ist Panikmache auf hohem Niveau“, warf sie Sommer vor. Der Döner sei mitnichten gefährdet. Es gehe nur um eins: „Der Zusatz von Phosphaten ist für Fleischzubereitungen nicht zugelassen.“
Schon die sorgfältige Wortwahl verriet, dass kurz vor der Geisterstunde im fast menschenleeren Plenarsaal echte Döner-Experten stritten. Denn die Frage, ob der Döner eine „Fleischzubereitung“ oder nur ein „Fleischprodukt“ ist, war in der Debatte von größter Bedeutung. Tatsächlich zeigte sich über die Jahre, dass in den EU-Ländern Döner Kebab höchst unterschiedlich klassifiziert wurde.
Als Fleischzubereitung muss der Döner ohne Phosphat auskommen, als Fleischprodukt sind jedoch seine Chancen auf eine Ausnahmegenehmigung besser. Und die wird er nun von der EU-Kommission bekommen. Damit wird der Döner - die Rede ist stets nur vom gefrorenen senkrechten Spieß - dem Kassler Fleisch gleichgestellt. Aber auch dem Brät von Würstchen, dem Hamburger oder Erfrischungsgetränken.
Der für Lebensmittelsicherheit zuständige EU-Kommissar Vytenis Andriukaitis fand, der Döner erfülle alle Voraussetzungen für seine Aufnahme in die Positivliste: Keine Gesundheitsbedenken, eine technologische Notwendigkeit und keine Gefahr einer Irreführung der Verbraucher.
Schon 1991 habe ein wissenschaftlicher Ausschuss für Lebensmittel festgestellt, dass Döner ungefährlich sei. Und 2013 habe man das noch einmal bestätigt. Zudem gebe es Vorteile für den Verbraucher: Weil das Fleisch besser zu verarbeiten sei, gefriere es gleichmäßig und sei deswegen besser zu braten. Andriukaitis: „Das führt zu einem schmackhafteren Produkt für den Verbraucher.“
Die dänische Sozialdemokratin Christel Schaldemose führte die Front der Phosphat-Bekämpfer an: Es gebe Befürchtungen, dass der Phosphat-Döner ungesund sei, Herz und Kreislauf belaste. Deswegen solle man vorsichtshalber abwarten, bis im kommenden Jahr eine neue Studie der EU-Lebensmittelaufsicht EFSA Klarheit schaffe. Und der belgische Grüne Bert Staes argumentierte in seinem gemeinsamen Bericht mit Schaldemose, es gebe durchaus phosphatfreie Alternativen.
Davon könne keine Rede sein, sagte Renate Sommer. Der Phosphat-Döner sei alternativlos. „Panikmache, ignorant und verantwortungslos“ seien die grünen und sozialdemokratischen Kritiker. 134 Milligramm Phosphat enthalte ein Döner - 4200 Milligramm seien als Tagesration unbedenklich. „Zigtausend Arbeitsplätze“ würden gefährdet. Vor allem in Deutschland. Schließlich ist Deutschland eine Döner-Macht: 80 Prozent der in Europa verzehrten Spieße werden hierzulande hergestellt .