Der Dom sucht seinen Meister
Die Kathedrale muss ständig vor dem Verfall bewahrt werden. Dabei braucht man Geduld. Denn die Arbeit geht immer weiter, bis zum Jüngsten Gericht.
Köln. In Köln ist eine Stelle ausgeschrieben, für die man katholisch und schwindelfrei sein muss. Vor allem das Schwindelfreie wird sehr ernst genommen, denn der erste Stelleninhaber soll laut Grimms Märchen abgestürzt sein. Dombaumeister in Köln, das ist ein Arbeitsplatz, den es schon seit mehr als 750 Jahren gibt. Zurzeit wird wieder ein neuer gesucht.
Stelleninhaberin Barbara Schock-Werner (63) geht am 31. August nächsten Jahres in Pension und soll ihren Nachfolger vorher noch einarbeiten. Deshalb hat Dompropst Norbert Feldhoff das Verfahren zeitig begonnen.
„Zuerst war es schon ein Schock“, gesteht Schock-Werner, die für ihre Offenheit bekannt ist. „Vor allem weil der Propst so früh damit anfing. Aber mittlerweile hab ich mich dran gewöhnt. Die Kirche hat da strikte Regeln.“ Gerne wäre sie noch länger geblieben. Aber der Propst hat Nein gesagt. Mit 65 sei Schluss, da könne man keine Ausnahme machen.
27 Bewerber sind nun in der engeren Auswahl. Im Juli hofft Feldhoff, den Erwählten der Öffentlichkeit vorstellen zu können. Oder die Erwählte. Außer Schwindelfreiheit und Zugehörigkeit zur katholischen Kirche muss man ein Architekturstudium und mehrjährige Berufserfahrung auch in der Denkmalpflege nachweisen können.
Und dann braucht der Dombaumeister eine große Tugend: Geduld. Fertig werden kann er mit seiner Arbeit sowieso nicht. Der Dom ist zwar im Grunde fertig gebaut, aber seine Instandhaltung ist ein ewig währendes Unterfangen. Wenn man an der einen Seite fertig ist, muss man an der anderen wieder anfangen. Das hört nie auf. Höchstens am Tag des Weltuntergangs und Jüngsten Gerichts. Oder wenn das Geld ausgeht, aber das will man ja nicht hoffen.
Stattdessen hat Schock-Werner unter anderem den Eingangsbereich mit dem Aufstieg auf die Spitze des Südturms neu gestaltet und die Rückkehr der Farbfenster in die Querhäuser vorangetrieben. Die Enthüllung des Domfensters von Gerhard Richter fand weltweit Beachtung.
Ein Dombaumeister muss auch über Fingerspitzengefühl und Menschenkenntnis verfügen. In der Dombauhütte arbeiten 80 Spezialisten. „Das sind Köppe“, sagt Feldhoff. Persönlichkeiten.
Ein gutes halbes Jahr soll Schock-Werner den Neuen einarbeiten. Und dann, wie geht es weiter, wenn sie dann nicht mehr im Amt ist? „Was sicherlich das Schwierigste sein wird, ist, in den Dom zu kommen und zu sehen, dass irgendwas nicht in Ordnung ist, und dann den Mund zu halten. Das wird ungewohnt sein. Aber ich werd’ mich beherrschen.“