Der Duft des Frühlings: Moder, Fäulnis, Scheuermittel
Köln (dpa) - „Ich habe einen Duft gefunden, der mich an einen italienischen Frühlingsmorgen kurz nach dem Regen erinnert“, schrieb der Italiener Giovanni Maria Farina im Jahre 1708 aus Köln. Wichtigster Inhaltsstoff dieses Duftes war Bergamotte, eine durch Kreuzung entstandene Zitrusart.
Farina kreierte damit das erste Markenparfüm der Geschichte und den erfolgreichsten Duft des 18. Jahrhunderts: das Eau de Cologne.
Der Duft des Frühlings waren für Farina die blühenden Pflanzen seiner norditalienischen Heimat: Zitrone, Bergnarzisse, Veilchen. Seine Großmutter hatte ihn schon als Kind damit vertraut gemacht. Und so geht es im Grunde allen Menschen: Der Duft des Frühlings ist für sie das, was ihnen als Kind zu dieser Jahreszeit in die Nase gestiegen ist. Egal, was es war.
„Den Frühlingsduft haben die Menschen nicht in den Genen, sondern sie haben ihn erlernt, indem sie jedes Jahr, wenn's Frühling wird, einen bestimmten Duft wahrnehmen“, erklärt der Duftforscher Hanns Hatt von der Ruhruniversität Bochum. „Dieser Duft wird verknüpft mit der Aussicht auf Frühling, auf Wärme. Das geschieht schon in der Kindheit.“
In Deutschland sind es oft bestimmte Blumen, die mit dem Frühling assoziiert werden, weil man sich zu dieser Zeit einen Strauß davon auf den Tisch stellt. „Dabei verbinden wir mit dem Frühling viele Pflanzen, die ursprünglich überhaupt nicht bei uns heimisch waren“, erläutert die Biologin Gesche Hohlstein vom Botanischen Garten Berlin.
So stammt die Hyazinthe aus Zentralasien - ebenso wie die wohl populärste Frühlingsblume, die Tulpe. Sie gelangte im 16. Jahrhundert über die Türkei nach Deutschland - und dann erst nach Holland. „Das sind nur ein paar Beispiele, um zu illustrieren, wie globalisiert unser Frühlingsgefühl ist“, sagt Hohlstein.
Der erste Frühlingsduft unmittelbar nach dem Ende des Winters im März stammt allerdings noch gar nicht von blühenden Veilchen, Narzissen oder Flieder. „Der erste Frühlingsduft beginnt viel früher“, sagt Professor Hatt. „Wenn die ersten warmen Sonnenstrahlen den kalten, vielleicht noch gefrorenen Boden treffen, dann wird durch die Wärme Wasser freigesetzt, und die Moose und verrotteten Blätter und all diese Dinge geben aufgrund der höheren Temperatur ihre Duftstoffe in die Luft ab und werden mit dem Wasserdampf hochgerissen in unsere Nase.“
Das Ergebnis: fauliger Modergeruch! Eigentlich alles andere als angenehm, wie Hatt einräumen muss: „Dieser erste Frühlingsgeruch, wenn man so merkt: „Ah, jetzt liegt der Frühling in der Luft!“, der ist eigentlich gar nicht so toll.“ Weil das Gehirn die Information aus der Nase aber sofort mit einer angenehmen Erinnerung verknüpft, wird es doch als etwas Positives empfunden. Das kann auch für alle möglichen anderen Gerüche gelten. Wenn Mutter früher bei den ersten Sonnenstrahlen immer den großen Frühjahrsputz gemacht hat, dann kann der Geruch scharfer Scheuermittel ein Leben lang romantische Frühlingsgefühle wecken.
Umgekehrt gilt das allerdings auch: Wer die schöne Jahreszeit fürchtet, weil er zum Beispiel Pollenallergiker ist - mit anderen Worten: wer den Frühling nicht riechen kann - für den duftet er nicht. Er stinkt. Und zwar durchgängig.