Pinsel und Pigmente Der Jäger der gefälschten Gemälde

München (dpa) - Kandinsky, Monet, Picasso - in einem Keller in München lagern Bilder, die nach Weltruhm klingen. Gehüllt sind sie in Luftpolsterfolie. Dass sie nicht bei einem Sammler oder gar in einem Museum hängen, dafür ist Dieter Sölch verantwortlich.

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Der Kunstfahnder vom bayerischen Landeskriminalamt (LKA) jagt nach Fälschungen. Hunderte von ihnen lagern allein in dieser Asservatenkammer.

Darunter ist „alles, was Rang und Namen hat“ - Dieter Sölch erklärt es anhand einer einfachen Formel: Gefälscht werde, was Geld bringe. Die Brücke-Künstler Karl Schmidt-Rottluff und Max Pechstein zum Beispiel. Eine Malerin aus Tschechien reproduzierte deren Werke im Akkord. Hinter vielen Fälschungen stecken versierte Maler, oft haben sie an Kunstakademien studiert.

8,5 Millionen Euro veranschlagte ein Anwalt aus München - für drei vermeintliche Kandinskys. Doch mit ihm verhandelte kein ahnungsloser Käufer, sondern ein verdeckter Ermittler. Ausgerechnet Kandinskys „Gendarme“ soll den Händler nun überführen. Es landet unterm Skalpell, ein Hauch Farbe wird abgetragen. Sichtbare Spuren darf der Eingriff keinesfalls hinterlassen. Kommen Bilder zur Untersuchung ins Chemielabor des LKA, ist eines schließlich noch unklar: Handelt es sich um ein wertvolles Meisterwerk oder eine Fälschung? Gewissheit kann die Untersuchung der Pigmente bringen, wie im Fall der „Gendarme“: Hier wurde mit Farben gemalt, die zur angeblichen Entstehungszeit noch nicht auf dem Markt waren.

„Die perfekte Fälschung gibt es nicht“, erklärt Sölch. Schon unter der Lupe zeigt sich, dass ein Motiv auf dem Tisch kein Siebdruck des Künstlers sein kann - es kommt aus dem Tintenstrahldrucker. „Ich hatte sogar mal einen Fall, da war der Name des Künstlers falsch geschrieben“, sagt Deutschlands dienstältester Kunstfahnder. Geschicktere Fälscher greifen auf historische Ölfarben zurück, tragen sie auf alte Leinwände und Bilderrahmen vom Flohmarkt auf.

Doch Röntgenspektroskope fördern tiefere Schichten eines Gemäldes zutage; Infrarotstrahlung macht Vorzeichnungen sichtbar - ist der Maler dafür bekannt, ohne Skizzen zu malen, fliegt die Fälschung auf. Und dann gibt es da eben noch das Bauchgefühl: So sollte ein vermeintlicher Carl Spitzweg für 1,8 Millionen Euro verkauft werden - angeblich der erste Entwurf von „Der arme Poet“. Wo Spitzweg detailversessen Manuskripte in Latein beschriftete, findet sich auf diesem Bild nur Gekritzel. „Ich hatte da einfach gleich meine Zweifel.“ Die Ergebnisse aus dem Labor bestätigten Sölch: Auch in diesem Fall wurden Farben verwendet, die zu Spitzwegs Lebzeiten nicht existierten.

Der 60 Jahre alte Kunstfahnder ist neben den Fälschungen auch zuständig für verbotene Grabungen, Raub- und Beutekunst. Vor 40 Jahren wurde der Fachbereich beim bayerischen LKA geschaffen. Vor allem aber die Fälscher halten Sölch auf Trab. Er geht davon aus, dass 40 bis 60 Prozent der Kunstwerke verstorbener Künstler gefälscht oder nachgeahmt sind.

Das Auktionshaus Grisebach in Berlin beschäftigt mehr als 40 Kunsthistoriker. Sie prüfen, ob ein Werk auch das ist, was es vorgibt zu sein. „Grundsätzlich stehen wir jedem Kunstwerk erstmal skeptisch gegenüber“, erklärt Geschäftsführerin Micaela Kapitzky. Stimmt die Auffassung der Figuren? Wie steht es um Perspektive, Farbauftrag und Pinselführung? Kapitzky spricht von der Handschrift des Künstlers. „Es ist schwer in Worte zu fassen. Mit viel Erfahrung sehen Sie einfach, wenn etwas nicht stimmt.“ Auch hier kommen die Werke unter UV-Licht. Und ohne lückenlose Dokumentation ihrer Herkunft haben sie keine Chance - nur etwa jedes zweite schaffe es in den Katalog des Auktionshauses.

Auch vor Gericht wird die Stilkritik herangezogen. Doch selbst wenn sich Kunsthistoriker und Naturwissenschaftler einig sind, wird in Deutschland niemand wegen Kunstfälschung verurteilt. Der Straftatbestand existiert nicht. Die Täter werden wegen Betrugs oder Verletzung des Urheberrechts belangt. Für die Bilder gibt es verschiedene Szenarien: Sie können im Keller des LKA landen, zu Lehrzwecken. Und manche gehen mit einem Stempel, der sie als Fälschung kennzeichnet, an den Besitzer zurück. Aber sogar damit könnten sie sich noch zu Geld machen lassen: Das Spitzweg-Imitat war dem Interessenten aus den USA immerhin noch 800 000 Euro wert.