Der „Maskenmann“ bricht sein Schweigen
Stade (dpa) - Monatelang hatte Martin N. beharrlich geschwiegen. Nahezu regungslos verfolgte er den Prozess vor dem Landgericht Stade, wo er sich seit Oktober wegen der Morde an drei kleinen Jungen und zahlreicher sexueller Übergriffe verantworten musste.
Der 41-Jährige hatte die Taten gestanden. Am Mittwoch äußerte er sich nun erstmals selbst vor Gericht zu den Verbrechen. „Ich glaube, dass meine Taten kaum entschuldbar sind.“ Von den Eltern der getöteten Kinder und seinen Opfern erwarte er deshalb keine Vergebung.
Am 27. Februar werden die Richter ein Urteil in dem aufsehenerregenden Prozess verkünden. Es gilt als wahrscheinlich, dass Martin N. mit einer lebenslangen Haftstrafe rechnen muss. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft liegt eine besondere Schwere der Schuld vor. In diesem Fall besteht nicht die Möglichkeit, dass ein Verurteilter nach 15 Jahren auf Bewährung entlassen wird. Weil der aus Bremen stammende Pädagoge einem Gutachten zufolge rückfallgefährdet ist, forderte die Anklage außerdem Sicherungsverwahrung für ihn.
Bei Mord komme nur eine lebenslange Haftstrafe in Betracht, betonten am Mittwoch auch die Verteidiger. Eine Sicherungsverwahrung halten sie jedoch nicht für nötig. Die Aussage von Martin N. bei der Polizei habe erheblich zur Aufklärung der Verbrechen beigetragen, sagte sein Anwalt Ralph Wichmann. „Er hat sich als der "schwarze Mann" zu erkennen gegeben.“ Ohne das Geständnis hätte ihm die Polizei die Morde und ein Großteil der Missbrauchstaten nicht nachweisen können.
Jahrelang hatten die Fahnder vergeblich nach einem Serientäter gesucht, der nachts in Häuser, Ferienheime und Zeltlager einstieg, um kleine Jungen zu missbrauchen. In drei Fällen - 1992, 1995 und 2001 - entführte und tötete er seine Opfer. Damit er nicht erkannt wurde, trug er dunkle Kleidung und eine schwarze Sturmhaube. Deswegen wurde er als „Maskenmann“ oder „schwarzer Mann“ bekannt. Im vergangenen Jahr brachte schließlich ein früheres Missbrauchsopfer die Ermittler auf die Spur von Martin N., der inzwischen in Hamburg lebte.
„Lange habe ich die Schuld verdrängt“, erläuterte der Angeklagte in seinem letzten Wort vor Gericht. Doch im Verhör bei der Polizei hätten ihn die Erinnerungen und die Schuldgefühle überrollt. Er habe einen Schlussstrich ziehen wollen. „Erst wollte ich mir das Leben nehmen. Später habe ich mit einem Geständnis reinen Tisch gemacht.“ Immer wieder bricht die Stimme des Angeklagten, unter Tränen presst er die Wörter hervor. Zum ersten Mal im Prozess scheint er seine Umgebung wahrzunehmen. Bisher hatte er die meiste Zeit unbeteiligt auf die Tischplatte gestarrt.
Martin N. ist klar, dass er für viele Jahre ins Gefängnis gehen muss. Er hoffe, dass er durch Therapien lerne, mit seinen Taten und seinem Leben umzugehen. „Damit ich eines Tages die Chance erhalte, als ein neuer Mensch ein Leben in Freiheit zu beginnen.“ Martin N. bestritt erneut, für zwei weitere Morde verantwortlich zu sein. Die Ermittler verdächtigen ihn jedoch nach wie vor, 1998 den elfjährigen Nicky in den Niederlanden und 2004 den zehnjährigen Jonathan in Frankreich entführt und getötet zu haben. Doch beweisen können sie es nicht.