Der Weg von düsteren Monstern zu fröhlichen Nanas
Hannover (dpa) - Berühmt wurde Niki de Saint Phalle mit üppigen, kunterbunten Frauenfiguren. Ihre Nanas aus Polyester stehen heute an vielen Orten weltweit. Welche Bedeutung die 1930 geborene Französin für die Kunstgeschichte hat, wurde dagegen lange nicht gesehen.
Erst eine Retrospektive in Paris 2014 eröffnete den Blick auf ihr vielschichtiges Werk. Einen Einblick in die vielen Facetten der Malerin und Bildhauerin bietet jetzt die Ausstellung „Niki de Saint Phalle - The Big Shots“, die bis zum 29. Januar 2017 im Sprengel Museum Hannover präsentiert wird.
Zu der niedersächsischen Landeshauptstadt hatte die Nana-Schöpferin eine besondere Beziehung. Ihre 1974 für das Leineufer geschaffenen drei Nanas waren erst heftig umstritten, heute gehören sie zu den am meisten fotografierten Wahrzeichen Hannovers. Die verspiegelte Grotte in den Herrenhäuser Gärten ist ihr letztes großes Kunstprojekt. Zwei Jahre vor ihrem Tod 2002 schenkte sie rund 450 ihrer Werke dem Sprengel Museum. Damit verfügt das Haus nach der Niki Charitable Art Foundation in Kalifornien über die zweitgrößte Niki-Sammlung überhaupt.
Die Kunst entdeckte die Tochter eines adeligen Bankiers und einer Amerikanerin ausgerechnet in der Psychiatrie. Nach einem Nervenzusammenbruch Mitte der 1950er Jahre wurde die Malerei zur Therapie und Liebe ihres Lebens. „1961 war ihr Traumjahr: Sie schießt sich frei“, sagt die Kuratorin der Ausstellung, Carina Plath. In Paris begann de Saint Phalle auf eigene Bilder zu schießen, um sie „bluten zu lassen“, wie sie es nannte. Durch die Schüsse ergoss sich Farbe aus eingegipsten Beuteln hinter der Oberfläche über die Bilder.
In Hannover ist unter anderem „Hommage to Bob Rauschenberg“ zu sehen. Das Ex-Model ließ den damals schon bekannten US-Künstler selbst auf ein in seinem Stil gefertigtes Bild schießen. Sie war inspiriert von den Nouveaux Réalistes und experimentierte souverän mit verschiedenen Materialien und dem Prinzip Zufall.
Die Künstlerin feuerte mit einem Kleinkalibergewehr auf halbplastische Materialbilder. Zielscheibe war einmal ein früherer Liebhaber, einmal ein Patriarch. Diesen kennzeichnen Riesen-Muskeln, ein kleiner Kopf und ein Phallus in Form eines aufgeklebten Flugzeuges. Erst spät machte de Saint Phalle öffentlich, dass sie als Mädchen vom eigenen Vater missbraucht worden war. Die Monster der Kindheit tauchen zum Beispiel auf einem Altarbild als Godzillas auf, gegen die eine Babypuppe eine Waffe richtet.
Im Gegensatz zu den düsteren Schießbildern stehen die Entwürfe für Niki de Saint Phalles farbenprächtigen Tarotgarten in der Toscana. Mit Hilfe des Bildhauers Jean Tinguely schuf sie fantasievolle Figuren und begehbare Skulpturen. Die Künstlerin lebte selbst zeitweise in ihrem Zaubergarten, in der zentralen „Sphinx“. „Frauen sind bei ihr oft auch Häuser“, sagt die Kuratorin. Und Museumschef Reinhard Spieler ergänzt: „Sie ist eine Ikone der feministischen Kunst.“