Tarifstreit beigelegt Deutlich mehr Geld für Chemie- und Pharmabeschäftigte
Wiesbaden · Für rund 580.000 Beschäftigte in der Chemie- und Pharmabranche gibt es deutlich mehr Geld. Arbeitgeber und Gewerkschaft haben sich auf ein Paket aus Einmalzahlungen und dauerhaften Entgeltsteigerungen geeinigt. Das ist auch der Energiekrise geschuldet.
Über eine halbe Million Beschäftigte in der deutschen Chemie- und Pharmabranche bekommen kräftige Lohnerhöhungen. Die Gewerkschaft IG BCE und der Arbeitgeberverband BAVC einigten sich in ihren Tarifverhandlungen auf zwei tabellenwirksame Lohnsteigerungen von jeweils 3,25 Prozent sowie Einmalzahlungen von insgesamt 3000 Euro, wie beide Seiten am Dienstag in Wiesbaden mitteilten. Die Laufzeit des Tarifabschlusses beträgt 20 Monate.
Die Einmalzahlungen sind demnach als Inflationsgeld steuer- und abgabenfrei und werden in zwei Schritten von jeweils 1500 Euro pro Kopf ausgezahlt: spätestens im Januar 2023 und im Januar 2024. Auch die dauerhaften Lohnsteigerungen erfolgen in zwei Stufen: Ein Plus von 3,25 Prozent gibt es ab Januar 2023 und weitere 3,25 Prozent ab Januar 2024. Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten können die beiden Schritte der Lohnerhöhung mittels Betriebsvereinbarungen um bis zu drei Monate verschieben. Das Paket gilt für 1900 Betriebe.
„Mit diesem Ergebnis halten wir die Balance zwischen der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und den Interessen unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“, sagte Kai Beckmann, Präsident des BAVC. Der stellvertretende Vorsitzende der IG BCE, Ralf Sikorski, sprach von der „höchsten Tariferhöhung in der Chemie seit mehr als 30 Jahren“.
Bereits im April hatten sich IG BCE und BAVC wegen der Unsicherheit um den Ukraine-Krieg und der hohen Inflation auf einen Teilabschluss als Brückenlösung geeinigt, der Ende Oktober ausläuft: eine Einmalzahlung von 1400 Euro pro Beschäftigtem und 1000 Euro pro Kopf bei Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten.
Die Tarifverhandlungen standen unter dem Eindruck der Gaskrise, die der energieintensiven Chemie- und Pharmaindustrie besonders zu schaffen macht. Die Branche kann die hohen Preise für Gas und auch Strom nur begrenzt an Kunden weiterreichen. Die Branche ist mit einem Anteil von 15 Prozent größter deutscher Gasverbraucher, knapp ein Drittel des Industrieverbrauchs entfällt auf sie. Der Abschluss in der Chemie- und Pharmaindustrie könnte ein Signal sein, wie andere Branchen mit der Rekordinflation umgehen.