Deutsche Etikette für Niederländer

Sie statt du, nie ohne Krawatte und immer alles schriftlich: Hiesige Etikette ist für Niederländer nicht immer einfach. Ein Kursus hilft.

‘s-Hertogenbosch. Die Vorstellungsrunde des Seminars „Etikette für Deutschland“ hat noch nicht mal begonnen, da will Kursteilnehmer Fred schon seine erste konkrete Frage loswerden. „Wie ist das mit dem Duzen und dem Siezen? Das finde ich furchtbar schwierig in Deutschland.“ Seminarleiterin Janet Antonissen, auf deren Visitenkarte „interkulturelle Trainerin“ steht, hat die Antwort parat: Man geht in Deutschland nicht einfach so zum „Du“ über, das „Du“ wird offiziell „angeboten“. Dieses Wort sagt sie auf Deutsch. „Eine niederländische Übersetzung dafür wüsste ich nicht.“

Deutschland und die Niederlande sind sich auf den ersten Blick sehr ähnlich. Aber das nächste Fettnäpfchen ist nie weit. Damit man da nicht ständig reintritt, bietet die Deutsch-Niederländische Handelskammer Benimmkurse an. Die Zielgruppe sind Geschäftsleute, die in Deutschland zu tun haben, meist in Nordrhein-Westfalen.

Gerard Dijkers, Verkaufschef eines Unternehmens für Schmiedeprodukte, zieht nie eine Krawatte an, „aber in Deutschland jedes Mal. Ich muss sie immer erst suchen.“ Seltsam auch: Wenn jemand promoviert ist, erwartet er unter Umständen glatt, mit „Herr Doktor“ angesprochen zu werden — undenkbar in den Niederlanden. Überhaupt, dieses Statusbewusstsein, dieses Hierarchiedenken! Joost, der für ein westfälisches Unternehmen niederländische Kunden anwerben soll, musste bei seinem ersten Besuch in der deutschen Zentrale erst einmal lernen, dass nicht alle Kaffeemaschinen auch für alle Mitarbeiter bestimmt sind: Die edelste ist nur für die Chefs.

Gerard Dijkers, Kursteilnehmer

Planung spielt in Deutschland eine viel größere Rolle als im Nachbarland, wo man eher auf Flexibilität und Improvisation setzt. „Das ist ein Riesenunterschied“, stöhnt Joost. „Bei uns hier wird eine Woche vor der Messe noch schnell mal eben angerufen: „,Jungs, was plant ihr denn so?’“ In Deutschland steht zwei Jahre vorher schon fest, welche Farbe die Krawatten haben werden.“ Dann wollen die Deutschen am liebsten alles schriftlich haben. Und Gerard hat noch etwas ganz Kurioses aufgeschnappt: „In Deutschland muss man beweisen, dass man krank ist. Man wird ,krankgeschrieben’.“ Kopfschütteln.

Janet Antonissen, die seit Jahren in NRW wohnt, empfiehlt, zu akzeptieren, dass in Deutschland manches anders ist, und dies nicht unbedingt zu bewerten. Sie lässt die Teilnehmer Spiele machen, bei denen sie lernen sollen, dass man eine Aufgabe auf unterschiedliche Art anpacken kann. Welche die bessere ist, kann man dabei oft nicht sagen. Am Ende sinniert jemand, im Team wären Niederländer und Deutsche unschlagbar: „Wir steuern die Kreativität bei, und die Deutschen sorgen für die klare Linie.“