Deutscher Extremsportler rennt durch die USA
New York (dpa) - Den Sheriffs im Südwesten der USA bot sich in den vergangenen Wochen ein seltsames Bild: Während sich keiner in der Hitzewelle aus den klimatisierten Räumen wagte, trabte bei 45 Grad Celsius auf glühend heißem Asphalt ein einsamer, hagerer Mann im Laufschritt durch die Wüste.
Meter für Meter, Meile für Meile. Es war Achim Heukemes auf seinem extremsten Abenteuer: Der Deutsche will zweimal die USA durchqueren, einmal auf dem Fahrrad, einmal zu Fuß. Am 11. September will er in New York ankommen. Es ist sein Tribut an die Opfer der Anschläge vor zehn Jahre - und sein Geburtstagsgeschenk: Heukemes wird Ende September 60.
„Ich liebe außergewöhnliche Sachen“, sagt Heukemes. In Wuppertal ist er geboren, in Hagnau am Bodensee seine Postadresse, doch ist er meistens in Turnschuhen und kurzen Hosen irgendwo in der Weltgeschichte unterwegs. Das kalte Alaska hat er durchquert, das heiße Australien auch. Seine Spezialität ist der Zehnfach-Ironman: Also nicht knapp vier Kilometer schwimmen, 180 Kilometer radfahren und gut 42 Kilometer laufen, sondern fast 40 Kilometer schwimmen, 1800 Kilometer radfahren und 420 Kilometer laufen. Auf die Frage, ob man dafür noch alle Tassen im Schrank haben muss, grinst der 59-Jährige: „Man will doch seine Grenzen kennen.“
Heukemes ist ein USA-Fan. „Die haben oft genug die Kastanien für uns aus dem Feuer geholt und uns nach dem Krieg wieder hochgeholfen“, sagt er. Nachdem am 11. September 2001 islamistische Terroristen zwei Flugzeuge in das World Trade Center gesteuert und fast 3000 Menschen getötet hatten, ließ er sich das Schicksalsdatum auf den Arm tätowieren. „Ich habe mich dann gefragt, wie ich zum zehnten Jahrestag meine Sympathie zeigen kann. Und da ich schon ein paar Mal durch die USA bin, dachte ich: diesmal doppelt.“
Am 25. Juni ging es mit dem Rad in New York los, jeden Tag 250 Kilometer. In San Diego angekommen, ging es gleich zurück, jeden Tag 90 Kilometer laufen, also mehr als zwei Marathons. Ruhetage: Keine.
„Mit allem haben wir gerechnet, nur nicht mit dieser Mörderhitze“, stöhnt er. Der Süden der USA erlebt eine außergewöhnliche Hitzewelle, bei fast 50 Grad erliegt das öffentliche Leben. „Selbst Motorradfahrer sind nicht unterwegs“, hätten ihm Polizisten gesagt. „Denen ist es auch zu heiß.“ Aber Achim läuft, jeden Tag zwölf, 13 Stunden, die ersten 30 Kilometer schon vor dem Frühstück. Manche schütteln den Kopf, die meisten drücken die Daumen. Auch die zunächst argwöhnischen Sheriffs, wenn sie erfahren, was der Deutsche da macht.
Nachts laufen? „Nö, da sind auch 36 oder 37 Grad. Und man sieht nichts.“ Denn Heukemes ist auch Tourist. Er teilt seine Gedanken per Twitter mit („Missouri ist doch eher monoton“), fotografiert für sein Leben gern und kann bei aller Quälerei die Landschaft genießen. „Es ist unglaublich, was man zu sehen bekommt. Die Landschaft ist ein Traum.“ Und er trifft interessante Leute: Indianer, andere Extremsportler oder Radfahrer, die eine achtstündige Anreise auf sich nehmen, um ein paar Tage mit ihm zu fahren. Und nicht zuletzt Autofahrer, die fasziniert anhalten und ihm Wasser anbieten - und immer mal wieder fragen: „Sind Sie wahnsinnig?“
„Naja, ich war kurz davor“, räumt Heukemes ein. Die Strapazen hätten ihn an seine Grenzen gebracht. „Ich bin angeschlagen, aber noch nicht k.o.“, sagt er. „Und an aufgeben wurde noch nie gedacht, dann wäre ja alles umsonst gewesen.“ Aber er hat beschlossen, dass es der letzte große Lauf ist, danach wird nur noch radgefahren. Und New York, worauf freut er sich am meisten? „Ach“, sagt er, „einfach am nächsten Morgen aufwachen mit der sagenhaften Erleichterung, nicht in die Laufschuhe zu müssen.“