DHM muss geraubte Plakatsammlung zurückgeben
Karlsruhe/Berlin (dpa) - Das Deutsche Historische Museum (DHM) in Berlin muss eine von den Nazis geraubte Plakatsammlung zurückgeben. Die jüdische Familie Sachs sei trotz einer zwischenzeitlich gezahlten Entschädigung weiterhin rechtmäßiger Eigentümer, entschied der Bundesgerichtshof am Freitag in Karlsruhe.
Damit konnte sich der in den USA lebende Erbe Peter Sachs am Ende durchsetzen. Er hatte seit 2005 für die Rückgabe der rund 4200 Plakate gestritten und war in den Vorinstanzen unterlegen. Der Wert der Plakate wird auf mehr als vier Millionen Euro geschätzt.
Mit dem Urteil sei „eine lange und belastende Auseinandersetzung“ beendet worden, reagierte die Stiftung Deutsches Historisches Museum. Man werde sich jetzt mit dem Erben zusammensetzen und das weitere Vorgehen besprechen, sagte Sprecher Rudolf Trabold. Dabei wolle das DHM auch über die Möglichkeit einer Schenkung oder einer Dauerleihgabe beraten. Sachs' Anwalt Matthias Druba bekräftigte nach der Entscheidung, sein Mandant wolle die Sammlung dem Publikum zugänglich machen. „Nun stellt sich die Aufgabe, einen Rahmen für die Sammlung zu finden, der ihr gerecht wird.“
Der renommierte Zahnarzt Hans Sachs hatte vor rund 100 Jahren eine der bedeutendsten Plakatsammlungen weltweit zusammengetragen - am Ende waren es mehr als 12 000 Werke. Er erkannte als einer der ersten in diesen auf Vergänglichkeit angelegten Bildern eine Kunstform. Die Palette der Sammlung reicht von Jugendstil, Expressionismus und Konstruktivismus bis hin zu Art Deco. Unter den Künstlern sind Henry van de Velde und Wassily Kandinsky sowie Käthe Kollwitz, Max Pechstein und Otto Dix.
In der Reichspogromnacht 1938 wurde die Familie Sachs festgenommen, konnte sich wenige Tage später jedoch in die USA absetzen. Kurz zuvor hatte Sachs die Sammlung dem Bankier Richard Lenz zur Aufbewahrung übergeben. Danach wurde sie vom Propagandaministerium beschlagnahmt. Nach dem Krieg verlor sich die Spur, bis in den 1960er Jahren rund 8000 Werke in einem Ostberliner Keller gefunden und später in die Sammlung des DHM eingegliedert wurden.
Der BGH bewertete jeden dieser Schritte in seinem Urteil: Der Bankier habe die Sammlung nicht gekauft und besitze damit keine Ansprüche. Der Zugriff des Propagandaministeriums sei bereits in den 1950er Jahren von Gerichten als nicht rechtswirksam beurteilt worden.
Damit bleibt zur Beurteilung noch die Rückerstattungsordnung der Alliierten für das Land Berlin aus dem Jahr 1949 und der Eigentumsherausgabeanspruch nach Paragraf 985 BGB. Beides spricht nach Ansicht der obersten Richter für den Erben. Die Tatsache, dass Hans Sachs 1961 über das Bundesrückerstattungsgesetz eine Wiedergutmachung von 225 000 Euro erhalten hat, stehe unter dem Vorbehalt, dass die Sammlung damals als verschollen galt. Mit dem Auftauchen der Stücke gelte aber die Regelung „Rückerstattung vor Entschädigung“. Andernfalls werde „nationalsozialistisches Unrecht perpetuiert“.
Ob das Urteil Auswirkungen auf andere Kunstwerke hat, konnte das Kulturstaatsministerium nicht sagen. Es handele sich um einen komplizierten Einzelfall, sagte Hagen Philipp Wolf, Sprecher von Minister Bernd Neumann (CDU). „Damit herrscht Rechtssicherheit für die Erben und das DHM.“ Nun werde die schriftliche Begründung des Urteils abgewartet und geprüft, was es für künftige Restitutionsfälle bedeute.