Die Domina und der Karneval
Aufruhr: Hilden ist gespalten, wie die Narren mit der Vergangenheit der neuen Prinzessin umgehen sollen.
Hilden. Eigentlich hat Silke Lehmann mit ihrer Vergangenheit kein Problem. "Es hat Spaß gemacht - und es war einträglich", sagt die 40-Jährige über ihren langjährigen Nebenjob als Domina. Sie hat Männern sexuelles Vergnügen verschafft, indem sie sie im Lederkostüm mit der Peitsche geschlagen hat. Lack, Leder, käufliche Erregung - für viele ein zu großer Kontrast zu der Welt, in der Lehmann mit ihrem Lebensgefährten Thomas Schmitz jetzt den großen Auftritt plant.
Denn das Carnevals Comitee Hilden (CCH) hat die Ex-Domina im April zur neuen Prinzessin, zur "Hildania", erkoren - in Kenntnis ihrer Vergangenheit. Doch richtig publik wurde die Angelegenheit erst vor kurzem, seitdem haben Schmitz und Lehmann keine ruhige Minute mehr.
Fernsehauftritte, halbnackte Fotos aus ihrer früheren Tätigkeit in der "Bild", Dauerschlagzeilen in regionalen Medien. "Ich hatte erwartet, dass es Aufsehen geben würde", seufzt die designierte Prinzessin, "aber dieses Ausmaß auf keinen Fall."
Lehmann stammt aus Gotha und hatte mit Karneval wenig zu tun, als sie im vergangenen Februar zu ihrem Lebensgefährten Thomas Schmitz (44) nach Hilden zog. Der aber ist im Brauchtum seit langem eine feste Größe. Aus einer Bierlaune beim letzten Biwak der Karnevalsgesellschaft "Musketiere", erinnert sich der Versicherungskaufmann, sei die Idee entstanden, gemeinsam als Prinzenpaar anzutreten. Dass ihre Vergangenheit ein Hindernis sein könnte, hätte die künftige Hildania nicht gedacht: "Wir leben doch nicht im Mittelalter."
Auch das Carnevals-Comitee Hilden (CCH), das sich für das Prinzenpaar Thomas I. und Silke I. entschied, sah in Lehmanns Vorleben kein Problem: "Wir haben uns für eine warmherzige, offene Frau und gute Rednerin entschieden", sagt CCH-Präsident Dieter Arnold. "Der Hildener Karneval ist doch nicht prüde." Rückendeckung kommt auch von Bürgermeister Günter Scheib: Die Ernennung des Paares sei allein Sache der Karnevalisten. Er hält auch daran fest, Thomas I. und Silke I. am 10. August offiziell vorzustellen: "Manch einer, der jetzt die Nase rümpft, hat vielleicht schon die Karten für die Herrensitzung gekauft."
Doch es gibt Gegenstimmen - auch der rüderen Art: Der Karnevalist und Ex-Polizist Günther Hammermann beschimpfte Lehmann öffentlich als "Hure". "Dagegen werde ich vorgehen. Ich war nie eine Prostituierte", ärgert sich Lehmann.
Sex hätten Kunden bei ihr nie bekommen - sie habe bei den Männern nur das Bedürfnis nach Erniedrigung befriedigt. "Für mich ist das etwas ganz Normales. Jeder Mensch hat zwei Seiten - nur viele leben ihre zweite nicht aus. Aber ich habe in der Szene nur gearbeitet und Sado-Maso nie gelebt."
Vorbehalte gegen diese Tätigkeit kann sie nachvollziehen - nicht aber, warum das nicht mit dem Karneval zu vereinbaren sein soll: "Eine Karnevalsprinzessin muss doch kein reines, moralisches Vorbild sein. Ich komme mir langsam vor, als hätte ich jemanden umgebracht." Kritiker monieren hingegen, dass Lehmann mit ihrer Vergangenheit bei Terminen in kirchlichen Einrichtungen oder mit Kindern nicht tragbar sei.
Beruf Silke Lehmann ist gelernte Hotel- und Restaurantfachfrau und hat 17 Jahre in diesem Beruf gearbeitet. An ihrem früheren Wohnort Kassel war sie nebenberuflich als Domina mit eigenem Studio tätig.
Reaktionen Seit sie mit ihrem Lebensgefährten Thomas Schmitz als "Hildania" nominiert wurde, schwankt Hilden zwischen Ablehnung und Freude über die öffentliche Aufmerksamkeit für die Stadt.