Die Mode der Nazi-Jahre
Für die Kleidung gab es Vorschriften — doch nicht alle hielten sich daran.
Ratingen. Die typische Frau in der Nazizeit trug Tracht und Dirndl, am besten mit Gretchenzopf. Die Männer, auch solche, die es noch werden wollten, hatten Uniformen an. Und Filmdiven wie Zarah Leander aus der Ufa-Traumfabrik weckten mit ihren eleganten Roben und hauchzarten Chiffonkleidern modische Träume. Diese Klischees sind typisch für die Zeit in den 1930er- und 1940er-Jahren. Doch was wurde wirklich getragen im Alltag, zu Hause, auf der Straße, im Berufsleben? Das Industriemuseum Ratingen hat in Zusammenarbeit mit der Uni Marburg diese Frage erforscht und gibt in seiner aktuellen Ausstellung „Glanz und Grauen“ vielfältige Antworten.
Mehr als 100 Originalkleidungsstücke und 350 weitere Exponate aus der Textilsammlung des Museums sowie viele Leihgaben aus Privatbesitz zeichnen die Geschichte der Mode und Bekleidung dieser Zeit nach. Gezeigt werden glamouröse Abendkleider aus Spitze, Goldlamé, Samtmantel, Pelzjacke, Federstola — die Damen der Nazi-Oberschicht hatten keine Scheu, ihren Luxus zur Schau zu stellen. Sie orientierten sich an der Mode im mondän-internationalen Stil.
Die Alltagsmode sah ganz anders aus: moderne Kostüme für die berufstätige Frau, elegante Nachmittagskleider, schlichte Waschkleider und Schürzen für den harten Arbeitsalltag. Kleidung war aber keineswegs Privartsache: Den braunen Machthabern war wichtig, dass die „Volksgenossen“ ihre Kleidung möglichst lange tragen — wegen der mit Kriegsbeginn knapper werdenden Rohstoffe.
Kleidung stand aber auch im Dienst der Ideologie: Uniformen waren wichtigstes Mittel, um Zugehörigkeit und Gemeinschaft zu demonstrieren. Gleichzeitig gab es auch „modischen Widerstand“: Weißes Hemd und Lederhosen waren etwa Erkennungszeichen der katholischen Jugend, die sich dem Regime verweigerte.
Die Auswirkungen der Mangelbewirtschaftung auf die Mode werden ebenso dargestellt wie Beutezüge, Enteignung und Mord: Soldaten kauften in den besetzten Ländern die Geschäfte leer, die Kleidung der in den KZs Ermordeten füllte die Kleiderkammern der NS-Wohlfahrt. Der Gipfel der Perversion: Um die Haltbarkeit von Lederersatzstoffen zu testen, wurde im KZ Sachsenhausen eine Schuhprüfstrecke mit verschiedenen Straßenbelägen angelegt. Häftlinge mussten darauf marschieren — täglich bis zu 14 Stunden lang.