Doppelter Sicherheits-Check vor dem ersten Schnitt im OP

Bei jährlich 200 Operationen kommt es zu Verwechslungen. Ein neues System soll Fehler reduzieren.

Krefeld. Es gibt den Witz über den Patienten, der sich vor einer Operation auf sein linkes Bein schrieb: "Dieses Bein muss operiert werden." Und in diesem Witz steckt auch ein Körnchen Wahrheit - leider keine angenehme. Nach Angaben der Deutschen Krankenhausgesellschaft kommt es bei jährlich rund zwölf Millionen Operationen allein in bis zu 200 Fällen zu Verwechselungen. Dann wird eben doch das falsche Bein operiert. Im Kampf gegen diese Fehler empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Einführung von OP-Checklisten. Die private Klinikgruppe Helios hat die Checklisten im April verpflichtend eingeführt. Ein Praxisbeispiel:

In Krefeld sorgen Privatdozent Clayton Kraft, Direktor der Abteilung für Orthopädie, Unfall- und Handchirurgie, sowie der Chef der Anästhesie, Professor Elmar Berendes, dafür, dass die Checklisten angewendet werden. Sie verweisen auf eine US-Studie, wonach die Sterblichkeitsrate nach chirurgischen Eingriffen durch die Checklisten von 1,5auf 0,8Prozent gesenkt werden konnte. Der Anteil der Komplikationen sank von elf auf sieben Prozent.

An allen Kliniken des Konzerns werden derzeit zwei Checklisten eingesetzt. In einer ersten Liste werden vor jedem planbaren Eingriff die Risiken sowohl durch den Anästhesisten als auch durch den Chirurgen bewertet. Kommen beide zu dem Ergebnis, dass der Patient ein erhöhtes Risiko hat - sei es aufgrund von Vorerkrankungen oder wegen der Schwere des Eingriffs - wird die OP mit allen Beteiligten vorher nochmals durchgesprochen. Es werden, wenn nötig, weitere Experten aus anderen Fachgebieten hinzugezogen.

Die zweite Liste kommt im OP zum Einsatz. Mit ihrer Hilfe werden nochmals die einfachsten, aber wichtigsten Fragen geklärt: Liegt der richtige Patient auf dem OP-Tisch, hat er Allergien, sind Medikamente und Instrumente in Ordnung, welches Organ, welches Körperteil wird eigentlich operiert. Eine dritte "Post-Liste" wird derzeit unter anderem in Krefeld getestet. Mit ihrer Hilfe sollen mögliche Komplikationen nach einem Eingriff schneller erkannt und behandelt werden.

Und warum gibt es solche Listen, die in den Cockpits von Flugzeugen Alltag sind, erst jetzt? Berendes weiß: "Die Luftfahrt ist uns da voraus." Und zwar nicht nur bei den Listen, sondern auch im Umgang mit Fehlern: "In der Medizin gibt es immer noch eine große Angst der Ärzte vor den Konsequenzen aus Fehlern. Ich nenne das eine Kultur der Scham."

Daher haben die Helios-Kliniken zusätzlich zu den Checklisten eine Möglichkeit eröffnet, auch anonym Fehler bei Behandlungen zu melden - die dann aufgearbeitet werden. "Es kann nicht darum gehen, jemanden an den Pranger zu stellen. Vielmehr müssen wir uns darum kümmern, aus Fehlern zu lernen und uns zu verbessern", betont Kraft.

Mit den Checklisten und einer neuen Kultur ohne Scham wollen Kraft und Berendes die tägliche Routine durchbrechen. Wichtig sei, die anderen Kollegen von der Effektivität der Listen zu überzeugen und nicht mit Druck zu arbeiten. Kraft und Berendes sind bereits überzeugt und empfehlen anderen Kliniken, die Listen verbindlich zu machen.