Yoani Sanchéz: „Bloggen ist ansteckend“

Netzwelt: Per Internet-Tagebuch durchbricht die Kubanerin Yoani Sanchéz (33) die Abschirmungsstrategien des Castro-Regimes. Dafür soll sie nun in Bonn einen Preis erhalten.

Düsseldorf. Frau Sánchez, wie sind Sie dazu gekommen, einen eigenen Blog zu entwickeln, aus dem eine Bloggerszene in Kuba entstanden ist?

Sánchez: Die Szene der Blogger - die kubanische Blogosphäre - begann sehr zaghaft. Doch im vergangenen Jahr hat es einen sehr interessanten Anstieg gegeben. Verglichen mit Ländern wie China, Iran, USA und Spanien, die eine riesige Blogosphäre haben, sind wir hier immer noch einige wenige Blogger. Aber ich glaube, es ist auch in Kuba ein Phänomen, das langsam an Bedeutung gewinnt - vor allem unter den Jugendlichen.

Sánchez: Einen Blog aus dem Inneren Kubas zu haben, ist praktisch ein Abenteuer. Denn wir leben in einem Land mit einer der geringsten Verbindungen zum Netz weltweit. Deshalb: Was mich angeht, so muss ich praktisch alle meine Blogs verfassen, ohne an das Netz angebunden zu sein. Später gehe ich an einen öffentlichen Ort, um meine Blogs loszuschicken.

Sánchez: Im März 2008 wurde mein Blog in Kuba blockiert, das heißt, er kann von hier nicht gelesen werden. Aber dank der virtuellen Gemeinde, die sich um meinen Blog gebildet hat, gibt es Personen, die mir helfen, meine Texte zu platzieren.

Sánchez: Es gibt nur sehr wenige Cybercafés. Das große Problem sind die exzessiven Preise, die sich zwischen fünf und sieben Euro pro Stunde bewegen.

Sánchez: Die Blogs sind wie ein Spalt, der sich öffnet: Wir Kubaner leben umgeben von einer Mauer der Kontrolle. Der Staat übt ein Monopol über alle Informationen aus, die in Kuba zirkulieren. Da sind die Blogs ein kleiner Spalt, der sich geöffnet hat, um die Meinung der Bürger zu hören. Ich glaube, der Blog kann großen Einfluss haben, denn Bloggen ist ansteckend.

Sánchez: Ich befürchte leider, dass ich nicht gehen kann. Wir Kubaner werden wie kleine Kinder behandelt, die die Genehmigung vom Papa einholen müssen, um das Haus zu verlassen. Ich habe im vergangenen Jahr dreimal versucht, eine Reiseerlaubnis zu bekommen. Sie wurde jedes Mal abgelehnt. Aber ich werde es weiter versuchen und mich nicht mit einem "Nein" zufriedengeben. In gewisser Weise ist das Reiseverbot die Strafe dafür, dass ich meinen Blog schreibe. Auf jeden Fall bin ich eine Bürgerin, eine Cyber-Bürgerin, und obwohl sie mich nicht reisen lassen, reise ich doch jeden Tag dank meines Blogs. Und ich werde - wenn auch nur virtuell - bei der Zeremonie anwesend sein.