Drei Töne mehr oder weniger...

Der Kölner Jazz-Geiger Markus Reinhardt trägt einen berühmten Namen — und hat eigene Vorstellungen von Musik.

Köln. „Wir sind Zigeuner!“ Markus Reinhardt singt diesen Satz fast. Der 53-Jährige trägt ein in der Sonne blendendes weißes T-Shirt, das seinen dunklen Teint hervorhebt. Die schwarzen Augen lächeln. Den Besuch empfängt er „auf dem Platz“ Markus Reinhardt sagt Platz, obwohl die Häuser aus dem Jahr 1975 korrekt rechtwinklig an der Straße stehen.

Zweigeschossig wurden sie damals gebaut, die 20 Häuser am Fortuinweg, mit flachen Ziegeldächern, großen Fenstern, Backsteinmauern. Stände nicht neben jedem Haus ein Wohnwagen, man könnte meinen, diese Siedlung im äußersten Norden von Köln sei eine ganz normale Siedlung.

Zwei Familien wohnen dort, etwa 230 Menschen. Wenn Markus Reinhardt nicht gerade auf Tournee ist oder sich in seine Wohnung ganz in der Nähe zurückzieht, trifft man ihn auf der Straße. Ungern lässt sich Reinhardt auf den Begriff „Zigeunerjazz“ festlegen. Seit mehr als 30 Jahren tourt der Geiger mit seinem Ensemble durch Europa. Manchmal arbeitet die Band mit Hip-Hop-Musikern zusammen.

Der kommerzielle Durchbruch blieb bislang aus. „Ich bin nicht geschäftstüchtig genug“, erklärt der gebürtige Kölner. „Ich denke nicht an Geld, ich denke an Musik.“ Seit seiner Kindheit hört er die Platten des weltberühmten Großonkels. Der Gitarrist Django Reinhardt starb fünf Jahre, bevor Markus geboren wurde. Für Markus Reinhardt waren der Großonkel und besonders dessen Geiger immer schon große Vorbilder.

Er selbst begann als Fünfjähriger das Violinenspiel. Schnell wurde er die Attraktion in der Combo seines Vaters. Damals, Mitte der 60er Jahre, traten „Zigeunerkapellen“ in Kneipen auf, spielten Walzer und Operette.

Doch als Markus Reinhardt 17 Jahre alt war, änderte sich das. „Ich wollte nicht mehr engagiert werden, nur weil ich Zigeuner bin“, erklärt er. Die Alten hätten ihn daraufhin für verrückt erklärt. Das, was er spielte, jazzigen Bossa Nova, titulierte man schlicht als Haschmusik.

So manches lukrative Angebot schlug Reinhardt in seiner Laufbahn aus. Vor einigen Jahren rief eine Agentur an, suchte eine „Zigeunerkapelle“, die ein kurzes Gastspiel während eines Madonna-Konzertes geben solle.

Natürlich klang es verlockend, mit einem Weltstar auf einer Bühne zu stehen. Später sah Reinhardt einen Videofilm von dem Konzert. Musikanten in Verkleidungen umgarnten die Popdiva. „Du spielst Musik, die Du nicht magst und läufst hinter Madonna her. Was kann grausamer sein?“

Welche Musik aber ist denn authentische Musik der Sinti und Roma? „Es gibt keine Zigeunermusik“, kontert Markus Reinhardt. „Was uns ausmacht, ist nicht, was wir spielen, sondern wie wir spielen.“ Zigeuner haben zwar eine eigene Sprache aber keine Schrift und benutzen beim Musizieren auch keine Noten. Das Kind bekommt eine Geige als Spielzeug. Es hört die Erwachsenen spielen und lernt so.

Einen anderen Unterricht gibt es nicht. Einen besseren auch nicht, glaubt der Geiger. „Wir haben keinen Respekt vor der Musik, spielen mal drei Töne mehr oder weniger.“ Wichtiger als die Wiedergabe von Musik ist Reinhardt der emotionale Ausdruck. „Wenn Du Musik nur nachspielst, ist sie tot.“