Ein Abend mit Bestatterin Caitlin Doughty
Berlin (dpa) - Nach zehn Monaten Arbeit im Krematorium hat Caitlin Doughty gewusst: Der Tod ist ihr Leben. So schreibt es die Amerikanerin in ihrem Buch. Damals war sie Mitte 20.
Heute führt die 31-Jährige ein alternatives Bestattungsunternehmen in Los Angeles und ist Bestsellerautorin. „Wir alle sind nur Leichen in der Warteschleife“, ist ein typischer Satz.
Das Sachbuch heißt auf Deutsch wie ihr YouTube-Kanal: „Fragen Sie Ihren Bestatter“. Die internationale Presse bringt große Geschichten über sie. Demnächst könnte es eine Fernsehserie wie „Six Feet Under“ geben. Die Rechte am Buch sind verkauft. Der Stoff ist schräg, nachdenklich und komisch. Doughty ist viel Leichenwagen gefahren (mit Platz für zwölf Särge) und erzählt von den Tricks der Branche beim Herrichten von Leichen. Sekundenkleber spielt da eine Rolle.
Gerade war sie in Spanien, am Mittwochabend ist Doughty in Berlin. Bei der Lesung in einem Mediziner-Hörsaal trägt sie Blumenkleid und Ponyfrisur. Sie könnte auch glutenfreie Cupcakes verkaufen oder ein anderes Hipstergeschäft betreiben. Aber ums eigene Gutaussehen geht es im Leichengeschäft nicht, stellt sie in ihrem Buch klar.
Doughty will, dass die Menschen wieder einen normaleren Umgang mit den Toten finden. Das bedeutet für sie nicht „Beerdigungs-Tinnef“ wie teure Särge mit lustigen Motiven, sondern Rituale. Etwa, dass die Angehörigen selbst ihre Toten waschen und anziehen, so sie dafür bereit sind.
Doughty sagt: „Ich bin von toten Körpern fasziniert.“ Und da ist für sie die kulturelle Rolle des Todes. Im Wissen um die Sterblichkeit baut der Mensch Häuser oder schreibt Bücher. In ihrer Kindheit auf Hawaii hat Doughty erlebt, wie ein Mädchen in einem Einkaufszentrum zu Tode stürzte. Das Trauma hat sie damals nicht verarbeitet, heute schon. Sie wünscht sich, dass der Tod kein Tabu mehr ist. Beim Thema Sex sei dieser Schritt bereits gelungen.
„Die Türen sind die ganze Zeit offen“, sagt der Moderator zu Beginn der Lesung. Falls jemand raus will. Aber der Abend mit Doughty ist eher lustig als gruselig. Ein Lachen umspielt ihre Augen, als Schauspielerin Anna Thalbach die Passage vorliest, in der sie beschreibt, wie sie das erste Mal eine Leiche rasiert, mit einem pinkfarbenen Einwegrasierer. Es funktioniert.
Unangenehmes erlebt sie auch. Das Publikum lernt die goldene Regel beim Verbrennen von Leichen: Dicke Menschen sind morgens an der Reihe. Sonst kann es im Ofen Probleme mit dem Fett geben. Doughty musste einmal nach einer Panne die Folgen vom Boden wischen. „Nicht der stolzeste Moment in meinem Leben.“ Noch Traurigeres steht im Buch, etwa, wie sie Babyleichen aus dem Krankenhaus holt.
In den Clips im Internet antwortet Doughty in einer Mischung aus Wissenschaft und Comedy auf Fragen: Wachsen Menschen nach dem Tod die Haare und Fingernägel (nein). Oder ist Einbalsamieren gefährlich (für die Toten natürlich nicht, aber für den Bestatter ist es wegen des Formaldehyds nicht ohne).
Der Humor des Buchs ist Geschmackssache. Die Lesung bringt den Gedanken: lieber verbrennen oder im Sarg begraben lassen? Doughty antwortet in ihrer fröhlichen Art auf die Frage nach dem eigenen Ende: Sie würde sich selbst am liebsten ganz der Natur überlassen oder vielleicht in einem Leichentuch begraben werden. Und keine Schminke, höchstens ein bisschen Lipgloss.
(Caitlin Doughty: Fragen Sie Ihren Bestatter. Lektionen aus dem Krematorium. C.H. Beck, München, 270 Seiten, 19,95 Euro, ISBN ISBN 978-3-406-68820-1)