Britischer Humor Ein deutscher Komiker im Mutterland der Comedy
London (dpa) - Bei seinen Auftritten in England muss der deutsche Komiker Christian Schulte-Loh mit allem rechnen. Das Publikum sitzt vor Bier und Cocktails, zu besonders fröhlichen Anlässen oft aus Eimern.
Schlachtgesänge und Zwischenrufe wie „Heil Hitler“ müssen mit spontanem Witz abgewehrt werden. „Manchmal komme ich mir vor wie ein Löwendompteur“, erzählt der 38-Jährige der Deutschen Presse-Agentur.
Schulte-Loh hat im Mutterland der Comedy seinen Traum verwirklicht. Er liebt den britischen Humor, vor allem die Selbstironie und den Hang zur Selbsterniedrigung. „Es ist alles ein bisschen schärfer und zackiger hier“, sagt der Zwei-Meter-Mann aus Haltern im Norden des Ruhrgebiets. „Die Leute erwarten, dass die Gags schnell hintereinander kommen.“
Für die Briten sind die Deutschen Spaßmuffel. Bei seinen Auftritten haut der Wahl-Londoner genau in diese Kerbe. Ein typischer Auftakt für seine Show: „Hallo, ich bin Christian und ein deutscher Komiker.“ Sofort brüllt die Menge vor Lachen. Oft schiebt er einen Gag über sein schlaksiges Aussehen hinterher, „wie Shaggy von (der US-amerikanischen Zeichentrickserie) Scooby-Doo“. Er spielt mit nationalen Klischees und konfrontiert die Menschen in Großbritannien mit ihren eigenen Witzen zum Zweiten Weltkrieg oder zum Fußball.
Wie viele andere Komiker kennt Schulte-Loh die Angst vor der Blamage. Deshalb war sein erster Auftritt auch nicht in Deutschland, sondern während eines Auslandssemesters 2002 und auf Englisch. „Ich wollte mich zu Hause nicht blamieren.“ Im Jahr 2009 verschlug es Schulte-Loh schließlich nach London - eher aus Zufall, wie er sagt.
Comedy ist in der englischen Kultur tief verankert. „In jeder dritten Kneipe gibt es mindestens einmal im Monat eine Show“, erzählt Schulte-Loh. Die Engländer gingen ihren Alltag mit mehr Humor an. „Wenn ich in Deutschland erzähle, dass ich Komiker bin, kommt sofort die Frage nach der Krankenversicherung und ob ich von dem Job überhaupt leben kann.“ Das sei in England nicht so.
Viele seiner Auftrittsorte sind ungewöhnlich. Friseur-Salons, Strip-Clubs, Busse, Kinos und Kirchen gehören dazu. Im renommierten Comedy Store in London trat er erstmals 2015 auf. „Als 18-Jähriger habe ich davor gestanden und mir gesagt, eines Tages trete ich hier auf“, schreibt er in seinem Buch „Zum Lachen auf die Insel“.
Das Klischee vom exzentrischen Inselvolk trifft nach Ansicht des Komikers zu. „Die Briten sind von Natur aus exzentrischer und humorvoller“, schreibt Schulte-Loh. Dafür kämen aus Deutschland moderne Autos. „Autobauer sind ernst, präzise und gradlinig“, erklärt er im Gespräch. Die Briten seien ein Volk von Seefahrern und daher anders geprägt, so seine These.
Der deutsche Komiker beobachtet die Briten sehr genau und findet so seine Themen. „Wenn jemand nach einem Auftritt sagt, Mensch, du verstehst unseren Humor, als wärst du von hier, dann ist das für mich das größte Kompliment“, erklärt Schulte-Loh. Bei allen Witzen über die Engländer versuche er stets, das Oberlehrerhafte zu vermeiden.
Das Publikum von Schulte-Loh zeigt die gesamte Breite des Klassensystems: Im Norden Englands bringt er die Arbeiterklasse zum Lachen, unterhält Comedy-Fans aus aller Welt in den Londoner Clubs, und als er 2010 beim Parteitag der Konservativen in Birmingham auftrat, saß auch der frühere britische Premierminister David Cameron im Publikum. Das Politik-Magazin „The Spectator“ meinte, seine Show sei „einer der subversivsten Acts aller Zeiten“.
Für Komiker in Großbritannien schien das Thema Brexit nach dem Referendum 2016 ein Dauerbrenner zu werden. Schulte-Loh kommentierte den Ausgang in zehn Interviews innerhalb von 48 Stunden. „Nun muss der Eurotunnel geflutet werden“, witzelte er damals in einer Show. Außerdem habe der ehemalige französische Präsident wohl recht behalten, dass man einem Volk, das so schlecht koche, einfach nicht vertrauen könne.
Angesichts zäher Verhandlungen zwischen Großbritannien und der EU ist vielen Briten der Spaß am Thema Brexit vergangen. „Ich dachte zuerst, Brexit sei eine Goldgrube, aber das ist nicht so“, erklärt Schulte-Loh. Das Thema ziehe Gräben im Publikum, und als Komiker auf der Bühne wolle man das vermeiden. „Es ist negativ belastet, und da muss man mit Samthandschuhen rangehen“, so Schulte-Loh weiter.
Der englische Humor hat auch in Deutschland viele Fans. Im Berliner Quatsch-Comedy Club organisiert Schulte-Loh fünf Mal im Jahr eine Show auf Englisch und tritt gemeinsam mit Kollegen auf, die er aus Großbritannien einfliegen lässt. „Ich sehe das als meinen Beitrag zur kulturellen Brücke zwischen Deutschland und England“, so der Komiker.