Die Neunte Kunst Graphic Novels als Spiegelbilder der Gesellschaft

Oldenburg (dpa) - Kindheitserinnerungen im Altenheim, Sexarbeiterinnen in Russland, ein Künstlerleben zwischen Party und Peinlichkeit - Comics und Graphic Novels sind ein Spiegelbild der Gesellschaft.

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Trotzdem stehen sie in der Rangfolge der Künste als die sogenannte Neunte Kunst meist weit hinten. Die aktuelle Kooperationsausstellung in drei Oldenburger Museen heißt deshalb „Die Neunte Kunst“: eine Hommage an eine hoch aktuelle Kunstform.

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Zu sehen ist zum Beispiel die Comic-Reportage „Dem Krieg entronnen“ von Olivier Kugler. Er hat in fünf Ländern syrische Flüchtlinge interviewt, fotografiert und gezeichnet. „Die doppelte Autorenschaft von Wort und Bild: Das ist richtig schwere Arbeit“, sagt Anke Feuchtenberger. Die 55 Jahre alte Professorin für Zeichnen und Illustration unterrichtet Graphic Novel an einer Hamburger Hochschule. Bei den jungen Zeichnern seien aktuell autobiographische Themen im Trend.

Auch auf Graphic Novels spezialisierte Verlage müssen einen langen Atem haben. Johann Ulrich, Chef des kleinen Avant-Verlags in Berlin, sieht aktuell journalistische Arbeiten etwa zum Syrien-Konflikt und feministische Graphic Novels im Aufwind. Die Szene sei selbstbewusst, weil Comic-Zeichner - anders als beim Film - Allroundtalente sind: „In der Graphic Novel bin ich Autor, Regisseur, Ausleuchter und Kameramann in einer Person.“

Das Oldenburger Edith-Russ-Haus für Medienkunst richtet von Donnerstag (1.2.) an den Fokus auf „Unwanted Stories“, erfunden und am Computer entwickelt von fünf internationalen Künstlern. Eine russische Bilder-Reporterin führt hier die Ausbeutung kasachischer Frauen vor Augen. Im Kinoraum geht es um den Nervenkitzel von Ego-Shooter-Spielen. „Wenn man Graphic Novels betrachtet, bekommt man einen Einblick in die düsteren Geheimisse der Welt“, sagt Marcel Schwierin, Co-Leiter des Edith-Russ-Hauses.

Der ägyptische Künstler Ganzeer, bekannt für seine Graffitis während der Unruhen des Arabischen Frühlings, hat im Edith-Russ-Haus die Hölle auf Erden inszeniert. In seiner Lichtinstallation wird unser Planet Tag und Nacht von künstlichen Satelliten beleuchtet - ein Szenario, das im Kopf der Betrachter lange nachwirkt.

Parallel dazu ist „Die Geschichte des Comics“ ab Samstag (3.2.) Thema im Stadtmuseum Oldenburg. Museumsdirektor Andreas von Seggern schickt die Besucher mit Meisterdetektiv „Nick Knatterton“ und „Fix und Foxi“ auf eine Zeitreise. In einer bunten Comicwand sind Kultgegenstände wie ein Mickey-Mouse-Telefon installiert. Mit dabei ist der mit einem Oscar ausgezeichnete Anti-Hitler-Zeichentrickfilm „Fuehrer's Face“ mit Donald Duck in Nazi-Deutschland.

Nebenan wehen vor dem Horst-Janssen-Museum Flaggen mit der markanten Gestalt des australischen Musikers Nick Cave. Die mit Tusche gezeichnete Biografie des ekstatischen Stars ist von Samstag (3.) an in der Austellung „Aktuelle deutsche Graphic Novels“ zu sehen. Originale von 13 zeitgenössischen Comiczeichnern zeigen den langen Weg von den ersten Zeichnung bis zum fertigen Buch.

Oft dauere die Arbeit mehr als drei Jahre, sagt Jutta Moster-Hoos, Leiterin des Horst-Janssen-Museums: „Das ist eine sehr anspruchsvolle, super lebendige Szene mit den Epizentren in Berlin, Hamburg und Leizpig.“ Eine Story zwischen Selbstentblößung und Sexualität erzählt Ulli Lust. In ihrer Novel dreht sich alles um die Dreiecksbeziehung mit dem alternden Schauspieler Georg und dem Nigerianer Kimata.

Trotz Comic-Ausstellungen wie jetzt in Oldenburg und 2017 in der Bundeskunsthalle Bonn spricht Claudia Jerusalem-Grönewald von einem Nischendasein der Graphic Novels. „Bei Comics denken viele noch immer an die sogenannten Funnys wie Asterix, Mickey Mouse und Tim und Struppi“, sagt die Sprecherin des Verlags Carlsen Comics. Dabei seien gezeichnete Bücher wie der Krimi „Der nasse Fisch“ und die in Oldenburg ausgestellte Biografie von Musiker Nick Cave längst Bestseller.