Auszug aus dem Kinderzimmer Ein kleiner Tiger wird groß

Lübeck/Dassow (dpa) - Training ist alles, auch für kleine Tiger. Elsa duckt sich, schleicht, springt, packt mit starken Tatzen die Beute. Blitzschnell beißt die schwarz-orange gestreifte Katze zu - in einen Fußball.

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„Sie ist und bleibt ein Raubtier“, sagt die Pflegemama Monica Farell. Farell ist in einer Zirkusfamilie aufgewachsen und betreibt seit 2002 mit ihrem Mann Saad Rose den Erlebnispark Dassow (Mecklenburg-Vorpommern) vor den Toren Lübecks mit bisher 13 Tigern und fünf Löwen. Farell hat das verlassene Tigermädchen Elsa in ihrer Wohnung aufgezogen. Am Wochenende zieht die heranwachsende Raubkatze nach Dassow um.

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Noch bekomme Elsa morgens und abends die Flasche mit Katzenmilch, wegen der Vitamine und Nährstoffe, sagt Farell. Dazu gebe es Putenbrust, Hühnerkeulen, Rippchen und Rind, zusammen drei Kilo Fleisch am Tag. „Ein Fulltime-Job wie bei einem Menschenkind.“ Viel Zuwendung sei nötig, sinnvolle Beschäftigung, Ausflüge, aber auch konsequente Erziehung. „Die Grenze ist erreicht, wenn sie nicht mehr an der Leine zu halten ist“, sagt die Raubtierexpertin.

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Ende August vorigen Jahres kam Elsa, ein Sibirischer Tiger, in einem Wanderzirkus auf der Insel Rügen zur Welt und wurde von der Mutter verstoßen. Eine Tierarztpraxis päppelte die kleine Großkatze, bis sie durch Vermittlung des Veterinäramtes Ende November zu den Farells nach Lübeck kam. „Hier im Haus wurden schon ein Löwe und ein Tiger großgezogen, die Tiere sind für uns wie Familienmitglieder“, sagt Saad Rose.

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Jetzt bringt Elsa etwa 50 Kilo auf die Waage, strotzt vor Gesundheit und Kraft und setzt schonmal gern die scharfen Krallen ein. „Manchmal wird sie richtig frech und übt Attacke, also Anspringen, gern auch von hinten“, sagt Farell. Spaziergänge an der Leine, Toben auf dem Spielplatz samt Rutsche und Sandkasten, Strand- und Waldläufe sowie Baumklettern stehen bis dato täglich auf dem Programm. „Auch ein Tigerkind lernt beim Spielen“, erläutert sie.

„Viel Bewegung und Erfahrungen in der Umwelt machen das Tier stark und selbstbewusst, prägen seinen Charakter“, meint Saad Rose. Ganz bewusst sei das Jungtier zum Tiger erzogen worden, es sei ja keine Schmusemieze. Dennoch sei die Raubkatze sehr auf Menschen bezogen und habe die natürliche Scheu vorerst verloren. „Elsa tobt mit uns wie mit richtigen Tigereltern, nur haben wir ja nicht so ein dickes Fell.“

Nun beginne das heranwachsende Tigerkind zu fremdeln. Es komme in die Pubertät und werde noch mehr auf Distanz gehen, wissen die Pflegeeltern. „Es ist immer traurig, wenn Kinder das Haus verlassen.“ Selbst Farells Sohn Dwayne (22), der nach gut vier Monaten Tigeraufzucht sein Zimmer in der elterlichen Wohnung zurückbekommt, ist nicht froh über den Auszug von Elsa. „Sie fehlt mir schon jetzt“, sagt die Pflegemama. Die Kuschelmomente abends vor dem Schlafengehen werde sie besonders vermissen.

Bereits in den vergangenen Wochen haben die Farells ihren Schützling an die artgerechtere Umgebung und das neue Gehege in Dassow gewöhnt. In der Nacht zum Sonntag soll Elsa zum ersten Mal im Tigerpark übernachten. Sie bekomme als Nachbarin ein erfahrenes älteres Weibchen zur Seite. „Tiger sind zwar Einzelgänger, doch sie brauchen die Interaktion mit Artgenossen“, betont Farell.

Sibirische oder Amur-Tiger, die größten Katzen der Erde, werden rund 200 Kilo schwer und mehr als zwei Meter lang. Weltweit leben heute mehr der Tiere in Zoos als in freier Wildbahn. Nach Angaben der Umweltorganisation WWF gibt es noch rund 530 freilebende Sibirische Tiger im Fernen Osten Russlands und angrenzenden Nordosten Chinas. Von der Weltnaturschutzunion IUCN wurden sie in der Roten Liste der bedrohten Arten als „stark gefährdet“ eingestuft. Laut Verband der Zoologischen Gärten (Berlin) leben weltweit in Zoos und Tiergärten mehr als 1000 Sibirische Tiger. Etwa 40 der Tiere in Deutschland, Österreich und der Schweiz gehören zu einem Nachzuchtprogramm.