Trittbrettfahrer Er fürchtete um sein Gepäck: Mann rast bei Tempo 160 außen an ICE mit

Ob im Güterwaggon, auf dem Puffer oder einem Trittbrett: Als blinder Passagier mit der Bahn zu fahren, ist unbequem und gefährlich, kommt aber gelegentlich vor. Doch außen zwischen zwei ICE-Waggons? Das ist neu.

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Bielefeld/Hannover. Einen lebensgefährlichen Außen-Stehplatz hat sich ein Mann für seine Bahnfahrt mit dem ICE von Bielefeld in Richtung Hannover ausgesucht: Der Mann klammerte sich zwischen zwei Waggons an den sogenannten Faltenbalg, dabei stützte er sich mit den Füßen auf einem kleinen Vorsprung ab. An dieser ungewöhnlichen Stelle habe der Passagier 25 Kilometer Fahrt mit bis zu Tempo 160 unverletzt überstanden, berichtet ein Sprecher der Bundespolizei in Hannover am Donnerstag.

„Von einem vergleichbaren Fall habe ich noch nie gehört“, sagte Bahnsprecher Egbert Meyer-Lovis. Dass es jemand schaffen könne, außen zwischen zwei ICE-Waggons mitzufahren, habe er bisher für undenkbar gehalten.

Es komme zwar hin und wieder vor, dass jemand versuche, auf einem Puffer, einem Trittbrett oder einer Trittstufe außen am Zug mitzufahren. In der Regel werde das aber eher bei ältere Zügen ausprobiert. Bei einem ICE sei es nahezu unmöglich, da die Türstufen vor der Abfahrt eingefahren werden.

Nach Angaben der Bahnpolizei hatte der 59-Jährige am Mittwoch auf dem Bahnhof Bielefeld sein Gepäck in den ICE gebracht, den Zug dann aber noch einmal kurz verlassen. Als der ICE für ihn überraschend losgefahren sei, so erzählte der Mann den Beamten, sei er zwischen die Waggons gesprungen und habe sich dort festgeklammert.

„Dass der 59-Jährige noch lebt, hat er wohl Bahnbediensteten zu verdanken, die ihn bei der Ausfahrt aus dem Bahnhof entdeckten und dann umgehend das Zugpersonal verständigten“, sagte der Polizeisprecher.

Der ICE, der zu diesem Zeitpunkt bereits Tempo 160 fuhr, drosselte die Geschwindigkeit und hielt nach 25 Kilometern in Löhne. Auf dem Bahnhof wurde der 59-Jährige in den ICE geholt und bis zu seinem Zielort Hannover gebracht.

Die Polizei berichtete in den vergangenen Jahren wiederholt von waghalsigen Außenfahrten an Zügen. So wurde zum Beispiel im vergangenen Jahr in Bayern ein minderjähriger Flüchtling aus Pakistan aufgegriffen, der stundenlang auf dem Dach eines Güterzuges von Österreich nach Deutschland mitgefahren war. In Rheinland-Pfalz stand ein angetrunkener 38-Jähriger bei Tempo 120 auf dem Trittbrett einer Lokomotive. Und in Schleswig-Holstein fuhr ein 23-Jähriger auf dem Trittbrett eines Regionalzuges mit, weil er den Fahrpreis für das Ticket sparen wollte.

Für besonderes Aufsehen sorgte ein junger Holländer, der kein Geld für die Heimfahrt hatte. Er hockte sich auf ein Trittbrett außen an die Lok des Nachtzuges Berlin - Amsterdam, der später mit Tempo 200 durch die Dunkelheit raste. Weil eine Zugbegleiterin den blinden Passagier durch Zufall entdeckte, hielt der Zug nach 30 Minuten Fahrt außerplanmäßig auf freier Strecke, so dass der durchgefrorene und völlig erschöpfte Mann einsteigen und ein Stück mitfahren konnte. Er landete schließlich an derselben Stelle wie in dieser Woche der 59-jährige ICE-Reisende: Auf der Wache der Bundespolizei im Hauptbahnhof Hannover. dpa