Erdbeben in Türkei: Mindestens 1000 Tote erwartet
Istanbul/Berlin (dpa) - Bei einem schweren Erdbeben sind am Sonntag im Osten der Türkei zahlreiche Menschen in Trümmern einstürzender Häuser ums Leben gekommen. Rettungshelfer fanden in den ersten Stunden der Katastrophe mindestens 77 Tote und mehr als 1000 Verletzte, wie türkische Fernsehsender berichteten.
Nach dem Beben der Stärke 7,2 in der Provinz Van erwartete die Istanbuler Erdbebenwarte Kandilli insgesamt mehr als 1000 Todesopfer. Deutschland und andere Staaten boten Hilfe bei den Rettungsarbeiten an.
Das Zentrum des Bebens lag unter dem Dorf Tabanli in der Provinz Van. Die schwersten Schäden gab es in der Stadt Ercis, wo nach Regierungsangaben bis zu 80 Gebäude einstürzten. Bis zum Abend wurden dort 50 Leichen gefunden. Das staatliche Krankenhaus der Stadt berichtete, es seien etwa 1000 Verletzte in die Klinik gebracht worden. Einwohner klagten, dass die Regierung nicht schnell genug helfe. In der Provinzhauptstadt Van hielten etwa 10 Gebäude der Gewalt des Bebens nicht stand. Dort stützte auch ein siebenstöckiges Haus ein.
Anwohner gruben am Sonntag mit Schaufeln und Händen nach Überlebenden. Der Krisenstab der Regierung erklärte, aus dem ganzen Land würden 500 Rettungshelfer und Notärzte in die Provinz Van geflogen. TV-Sender zeigten Bilder von Menschen, die in Panik auf die Straßen gerannt waren. Auf Bildern von Überwachungskameras waren Bürogebäude zu sehen, in denen Möbel übereinander stürzten. Es gab mehrere Nachbeben. Für die Nacht zum Montag wurden Minustemperaturen erwartet.
Die Türkei wird immer wieder von heftigen Erdbeben heimgesucht. In der Provinz Van gab es 1976 ein Erdbeben mit fast 4000 Toten. Das Land lebt in ständiger Angst vor neuen Erdstößen durch die Reibung tektonischer Platten in der Erdkruste. Rund 92 Prozent des Landes liegen auf Erdbebengürteln. Etwa 95 Prozent der Türken leben auf unsicherem Grund, auf dem auch 98 Prozent der Industrieanlagen sowie die wichtigsten Staudämme und Kraftwerke stehen.
„Deutschland steht der Türkei in dieser schweren Stunde bei“, sagte Außenminister Guido Westerwelle (FDP) am Sonntag in Berlin. Westerwelle sprach der türkischen Regierung, dem türkischen Volk und den Menschen in der betroffenen Region „aufrichtige Anteilnahme“ aus. Für schnelle und unbürokratische Hilfe sprachen sich auch die Grünen-Vorsitzenden Claudia Roth und Cem Özdemir aus.
Das Erdbeben war auch im Nachbarland Armenien spürbar. In der Hauptstadt Eriwan seien tausende Menschen aus Angst vor einstürzenden Häusern ins Freie geflüchtet, berichteten örtliche Medien. Präsident Sersch Sargsjan erklärte, er wolle an einem für diesen Montag geplanten Staatsbesuch in Russland festhalten. Im Dezember 1988 waren bei einem Erdbeben der Stärke 6,8 im Norden von Armenien mehr als 20 000 Menschen ums Leben gekommen.