Erinnerung: Schüler befassen sich mit dem Leiden in der NS-Zeit

Eine Schule in Dormagen befasst sich mit den Leiden der Zwangsarbeiter während der NS-Zeit.

Dormagen. Unheimliche Stille begleitet die Sechstklässler der Dormagener Bertha-von-Suttner-Gesamtschule auf ihrer Spurensuche nach den Verbrechen der Vergangenheit. Auf dem Weg vorbei an den Ruhestätten von Zwangsarbeitern des Dritten Reiches entdecken sie Namen, die von fremder Herkunft erzählen.

Wie ein Mosaik setzen sich die vielen Informationen auf den Grabsteinen zusammen. Sie berichten von Krieg und Tod, von Qual und Leid. Ergriffenheit macht sich breit, viele Fragen stehen imRaum - die grauen Steinplatten scheinen in diesem Moment intensiver zu wirken als es ein Lehrbuch jemals könnte.

Acht Jahre ist es nun her, dass Lehrer Uwe Koopmann seine Schüler erstmals auf diesen besonderen Streifzug in die Geschichte mitnahm. "Danach war ich davon überzeugt, dass ein solcher Ausflug wesentlich sinnvoller ist, als das Abhandeln irgendwelcher Quellen", sagt der Pädagoge. Mit seinem Praxis-Unterricht vor Ort hat Koopmann mittlerweile hunderte von Schülern begeistert.

Einer dieser Schüler ist Dominik Schmitz, der bei der Premiere im Jahr 2000 mit dabei war. "Es war eine spannende Erfahrung, weil der Nationalsozialismus für mich bis dahin so weit weg war. Der direkte Kontakt mit den Opfern hat mir gezeigt, dass die Verbrechen auch bei uns vor Ort begangen wurden", erzählt der 20-Jährige.

Oft hat Schmitz den passionierten Friedensaktivisten Koopmann seitdem auf weiteren Exkursionen begleitet. Und obwohl er soeben sein Abitur gemacht hat, möchte er im Herbst ein viertes Mal dabei sein, wenn eine Gruppe aus Lehrern, Schülern und Eltern zum antifaschistischen Jugendlager in der Gedenkstätte Stukenbrock bei Bielefeld aufbricht. "Es ist unheimlich interessant, an einem solch historischen Ort mit Zeitzeugen und weiteren Schülern über die Vergangenheit und aktuelle Entwicklungen ins Gespräch zu kommen", sagt Schmitz.

Seit Jahren pflegt die Gesamtschule eine ganz besondere Beziehung zu der Gedenkstätte: Bei ihrem ersten Besuch in Ostwestfalen entdeckten die Schüler in einem benachbarten Waldstück des sowjetischen Soldatenfriedhofs nämlich den zugewucherten Eingang zu einer ehemaligen Ruhestätte für rund 200 italienische Zwangsarbeiter.

"Obwohl die Opfer ein paar Jahre nach dem Kriegsende auf einen zentralen Friedhof umgebettet wurden, haben die Schüler darauf bestanden, die Grabstätte in Stukenbrock wieder freizulegen und zu pflegen", berichtet Koopmann. Und so werden die Gäste aus Dormagen im September wieder die Grabwege säubern, selbst verzierte Steine vom Rheinufer an den Wegrändern platzieren und der Opfer gedenken.

Dass die Diskussion um die Schicksale und die Entschädigung der italienischen Zwangsarbeiter aufgrund der jüngsten Urteile des obersten Gerichtshofes in Rom (wir berichteten) aktueller denn je ist, macht den diesjährigen Ausflug besonders interessant. "Die neuen Entwicklungen werden natürlich Thema in Stukenbrock sein", blickt Koopmann voraus.

Auf Unterstützung vom italienischen Staat kann der Pädagoge bei der Aufarbeitung der Geschichte hingegen kaum hoffen: Mehrfache Kontaktaufnahmen zum italienischen Generalkonsulat in Köln blieben bisher ohne Erfolg. "Das entmutigt uns aber nicht, das Thema weiter wach zu halten", sagt Koopmann