Ermittlungen wegen sechs toter Frühchen in Bremen
Bremen (dpa) - Der tödliche Infektionswelle auf einer Bremer Frühchenstation hat möglicherweise mehr Kinder das Leben gekostet als bisher bekannt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt inzwischen wegen sechs toter Babys.
Bislang war von drei Todesfällen im Klinikum Mitte die Rede.
„Es gibt Hinweise auf weitere an dem Keim verstorbene Kinder“, sagte Staatsanwaltschaftssprecher Frank Passade am Mittwoch. Ein Fall stamme aus dem vergangenen Jahr, die anderen aus diesem. Ob es sich um die gleiche Variante des Erregers handele, sei noch offen.
„Wir gehen weiter von drei toten Kindern aus“, sagte dagegen die Sprecherin des Bremer Klinikverbundes, Karen Matiszick. Im Juli sei ein Frühchen an einer Hirnblutung gestorben, das den Keim in sich trug, aber daran nicht erkrankte. „Wir sehen keinen Zusammenhang zwischen dem Tod und der Infektion.“
Die beiden anderen Babys seien Anfang 2011 und im vergangenen Jahr gestorben. Bei einem sei der Erreger nicht nachgewiesen worden, das andere sei mit einer anderen Form des Klebsiella-Bakteriums infiziert gewesen.
Seit April hatten sich auf der Frühchenstation immer wieder Neugeborene mit einem multiresistenten Darmkeim infiziert. Bisher konnten die Experten den Erreger bei 23 Kindern nachweisen. Neun von ihnen erkrankten. Im August und Oktober starben ein Mädchen und zwei Jungen. Die Klinik schaltete das Gesundheitsamt im September ein, was aber erst zwei Monate später die zuständige Senatorin Renate Jürgens-Pieper (SPD) informierte.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt seither wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung und Körperverletzung - zunächst gegen Unbekannt. Wie Radio Bremen berichtet, richten sich die Ermittlungen inzwischen aber gegen den ehemaligen Chefarzt der betroffenen Kinderklinik. Die Polizei hatte nach Angaben von Passade am Mittwoch mehrere Akten aus dem Büro und der Wohnung des früheren Klinikchefs beschlagnahmt. Er schloss nicht aus, dass noch andere Verantwortliche in den Fokus der Anklagebehörde rücken.
Die Betreibergesellschaft der vier kommunalen Krankenhäuser hatte den Chefarzt vor etwa zwei Wochen entlassen. Er war für die Hygiene im gesamten Klinikum Mitte verantwortlich und hatte den Ausbruch der Infektionswelle nach Ansicht des Klinikverbundes nicht rechtzeitig erkannt. Wie sich die Frühchen mit den Bakterien anstecken konnten, ist immer noch unklar.
Ein Team vom Robert-Koch-Institut hatte die Frühchenstation Anfang des Monats mehrere Tage unter die Lupe genommen. Der Bericht wird in dieser Woche erwartet, liegt nach Angaben einer Sprecherin der Gesundheitsbehörde aber noch nicht vor. Die Station ist seit Anfang November geschlossen und wird zurzeit desinfiziert.
Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss soll nun die Vorfälle im Klinikum Mitte und die Kommunikationspanne aufklären. Das Gremium wird am Donnerstagnachmittag zu einer Sitzung zusammengekommen. Nach Angaben der Vorsitzenden Antje Grotheer (SPD) wird es dabei aber nur um Organisatorisches gehen, da die Akten aus der Klinik und der Gesundheitsbehörde noch nicht vorlägen.
Auch eine Sondersitzung der Gesundheitsdeputation ist für Donnerstagnachmittag angesetzt. Der Chef des Klinikverbundes, Diethelm Hansen, soll sich dort zu der Personalsituation auf der Frühchenstation äußern. Der entlassene Chefarzt und Mitarbeiter hatten Medienberichten zufolge in diesem Jahr wiederholt über Engpässe geklagt. Außerdem wird Hansen die Ergebnisse der Personal-Untersuchung vorstellen. Alle Mitarbeiter, die Kontakt zu den früh geborenen Kindern hatten, wurden auf den resistenten Keim getestet.