Wuppertal Erster muslimischer Friedhof Deutschlands

Immer mehr Menschen islamischen Glaubens wollen sich in NRW begraben lassen. Nicht überall ist die Bestattung nach ihren Ritualen möglich. Wuppertal plant nun den ersten muslimischen Friedhof Deutschlands.

Foto: Andreas Fischer

Düsseldorf. Dort, wo ich lebe, wo ich sterbe, möchte ich auch begraben werden — nah bei Familie und Freunden. Für viele ist das eine Selbstverständlichkeit. Doch was, wenn es da noch eine andere „Heimat“ gibt? Und wenn an meinem aktuellen Lebensmittelpunkt eine Bestattung nach meiner religiösen Überzeugung nicht möglich ist?

Für viele Muslime war das lange der Fall. Die Lösung: Eine Überführung in das Herkunftsland, finanziert aus einer Versicherung, in die man genau zu diesem Zweck jahrelang einbezahlt hat. „Nach dem Generationenwechsel macht sich ein Umdenken bemerkbar“, sagt Mohamed Abodahab. Er ist der stellvertretende Vorsitzende des muslimischen Friedhofsträgervereins in Wuppertal. Im Stadtteil Varresbeck soll auf rund 20 000 Quadratmetern Fläche im Frühjahr 2018 der erste rein muslimische Friedhof Deutschlands entstehen und wahrscheinlich Platz für etwa 1500 Gräber bieten. Aus gutem Grund. Während in der ersten Generation muslimischer Einwanderer für viele noch klar gewesen sei, dass sie für ihre letzte Ruhe zurück wollten, sagt Abodahab, würden die, die hier geboren und aufgewachsen seien, anders denken.

Das können die NRW-Kommunen mit Blick auf die vergangenen Jahre bestätigen. Die meisten Städte bieten Muslimen eine Bestattung auf einem speziellen Gräberfeld auf städtischen Friedhöfen an. In Köln nehmen das nach Angaben der Stadt durchschnittlich etwa 50 Menschen im Jahr in Anspruch — genausoviele wie in Aachen. Dort ist die Zahl seit 2011 von durchschnittlich 20 auf mittlerweile 50 angestiegen. Auch in Düsseldorf ist die Zahl der muslimischen Bestattungen gestiegen: Während es 2011 noch 33 waren, zählt die Stadtverwaltung 2016 63 Menschen muslimischen Glaubens, die sich auf den Gräberfeldern bestatten ließen. Auch in Duisburg ist laut Stadtverwaltung die Zahl von etwa 20 in 2014 auf 43 in 2016 gestiegen. In Essen sind es in den vergangenen zehn Jahren etwa 50 mehr geworden — in 2016 waren es 177.

Doch woher kommt der Bedarf nach einer eigenen Ruhestätte? Warum wollen sich Muslime nicht weiterhin auf einem gemeinsamen Friedhof begraben lassen? „Das werde ich immer wieder gefragt“, sagt Abodahab. Die Antwort darauf falle ihm leicht: „Dort, wo Menschen leben, sich integrieren, sich wohlfühlen und sterben, sollten sie auch das Recht haben, nach ihren religiösen Grundsätzen begraben zu werden.“ Und auch wenn diese denen des christlichen und jüdischen Glaubens ähneln, gebe es doch Unterschiede.

Der Leichnam wird ohne Sarg in ein Leintuch gewickelt und in das Grab gelegt — auf der rechten Seite liegend, mit dem Blick nach Mekka. Vor der Beerdigung wird der Verstorbene nach bestimmten Ritualen gewaschen — zwischen Tod und Begräbnis sollte nicht mehr als ein Tag vergehen. „Manche Vorgaben sind wichtiger, werden strenger umgesetzt, bei anderen kann man lockerer sein“, sagt Hicham El Founti vom Islamischen Bestattungsinstitut NRW in Düsseldorf. Das Waschen und dass der Leichnam nicht verbrannt werde, sei besonders wichtig. Und: das Ewigkeitsrecht. Nach muslimischem Glauben soll garantiert werden, dass Gräber nicht mehrfach belegt werden und dass das Grab auf Ewigkeit bestehen bleibt.

Und genau das sei für viele Muslime der Knackpunkt. Auf städtischen oder christlichen Friedhöfen werden die Gräber meist nach 25 Jahren aufgelöst. Manchmal könne man verlängern — was aber nach 50, 100 oder mehr Jahren mit dem Grab passiere, sei unklar. Nach Angaben der Stadt Wuppertal hätten sich bislang die meisten der etwa 300 Muslime, die dort gestorben sind, in ihre Heimat überführen lassen. „Die Akzeptanz für das Gräberfeld im Wuppertaler Stadtteil Ronsdorf war nicht besonders groß“, sagt Abodahab.

Das sei beim neuen Friedhofsprojekt anders. Denn: Die Stadt garantiert dem Trägerverein vertraglich das Ewigkeitsrecht. „Ich werde immer wieder von älteren Gemeindemitgliedern gefragt, wann der Friedhof endlich fertig ist. Die hoffen, dass sie das noch erleben“, sagt er mit einem Augenzwinkern. Die Idee für den rein muslimischen Friedhof kam vor knapp zehn Jahren aus der nicht-muslimischen Bevölkerung. „Es hieß, wenn es doch jüdische und christliche Friedhöfe gebe — warum dann keinen muslimischen“, erinnert sich Abodahab. Erst seit einer Änderung im Bestattungsgesetz 2014 können nicht nur Körperschaften öffentlichen Rechts, sondern auch religiöse Vereine durch Beleihung eigene Friedhöfe betreiben. Ein passendes Grundstück sei schnell gefunden worden. Neben einem evangelischen und einem jüdischen Friedhof war die Fläche frei gehalten worden, falls dafür mehr Platz gebraucht werde. Das sei aber doch nicht nötig gewesen, die evangelische Gemeinde hat das Feld an den Trägerverein verkauft — nun sei man in der Planungsphase.

Die anderen NRW-Städte sehen den Bedarf, es Wuppertal gleich zu tun, unterschiedlich. In Köln sei das Ziel, muslimischen Mitbürgern im Rahmen der Integration einen würdigen Bestattungsort auf einem der bestehenden Friedhöfe zu bieten, sagt eine Sprecherin. Auch in Essen, Duisburg, Dortmund und Aachen werde derzeit nicht über einen muslimischen Friedhof diskutiert. In Düsseldorf hingegen habe der Kreis der Muslime Interesse an einer rein islamischen Grabstätte bekundet. „Die Verhandlungen befinden sich aber noch in einem frühen Stadium“, sagt eine Sprecherin.

Die Stadt Wuppertal ist stolz auf ihr Projekt: „Es ist ein bedeutender Schritt der Integration, wenn Menschen gemäß ihrem Glauben dort bestattet werden können, wo sie auch ihr Leben verbracht haben und wo ihre Familien sind“, sagt eine Sprecherin.