Erzbischof Tutu: Was es bedeutet, Mensch zu sein
Wenn Desmond Tutu lacht, scheint die Welt in Ordnung zu sein.
Johannesburg. Das Soccer City Stadium in Johannesburg, in dem das Herz der Fußball-Weltmeisterschaft schlagen wird, liegt nahe des Soweto Township im Süden der Stadt.
Zwei der wichtigsten Männer des Landes sind dort an derselben Straße aufgewachsen: Nelson Mandela und Desmond Tutu. Tutu, erster schwarzer Erzbischof Südafrikas, ist so etwas wie das moralische Gewissen des Landes.
Ruhig blickt der kleine Mann mit der großen Nase in die Kamera, wenn er zu Themen wie Wohlstandsvermehrung und freie Märkte befragt wird. "Sie haben zu Reichtum geführt, aber zu welchem Preis? Wichtig ist doch die Frage, was es bedeutet, menschlich zu sein", antwortet der 78-Jährige. Seine Gestik ist bestimmt. Er ballt die Faust, und doch redet Tutu in ruhigem Ton. Danach lacht er mitreißend entwaffnend, die Welt scheint in diesem Moment in Ordnung zu sein.
Zur Zeit der Apartheid galt der anglikanische Kirchenmann als Staatsfeind Nummer eins. Unermüdlich kämpfte er für die Rechte der Schwarzen. Forderte Staaten auf, die Regierung Südafrikas zu boykottieren und Sanktionen zu verhängen. Er organisierte Mahnwachen und Protestmärsche. Lediglich seine Prominenz bewahrte ihn vor dem Gefängnis.
Doch auch heute, 16 Jahre nach dem Ende der Apartheid, bleibt Tutu unbequem. Es gebe in Südafrika eine große Kluft zwischen Arm und Reich. "Ich bin froh, dass ich nicht Gott bin", das Ausmaß der Armut sei "nicht zu rechtfertigen", sagt er, rollt böse mit den Augen, dann lacht er wieder - versöhnlich.
Genau diese Art ist es wohl, die ihm weltweit ein Forum öffnet: Sein Name wird in einem Atemzug genannt mit Mahatma Ghandi oder Mutter Teresa. Der Dalai Lama ist sein Freund.
Und auch in anderen Sparten scheint Tutu zu faszinieren: Forscher untersuchten anhand seines Erbguts die Verwandtschaftsverhältnisse der afrikanischen Volksstämme. Und er war der erste, den der New Yorker Fotograf Andrew Zuckerman zum Thema Weisheit befragte. Tutu selbst sagt über sich: "Ich war von vielen wundervollen Menschen beeinflusst." Seine Mutter, eine Wäscherin, sei ein wunderbarer Mensch. "Ihre Nase war so groß wie meine. Ich hoffe aber, dass ich ihr auch im Geist ähnlich bin, ihrer mitfühlenden Art."
Sein Vater war Lehrer, was ihn anregte, ebenfalls Lehrer zu werden. Nur über Umwege - durch eine Gesetzesänderung sollten farbige Kinder benachteiligt werden - gab er seinen Beruf aus Protest auf, ließ sich 1957 als Priester ausbilden und wurde schließlich gegen alle Widerstände Erzbischof der anglikanischen Kirche. Für den Kampf gegen die Rassentrennung bekam er 1984 den Friedensnobelpreis.
Dass er in all den Jahren freundlich blieb, verdanke er seiner Frau Leah, mit der er 55Jahre verheiratet ist und vier Kinder hat. "Sie war und ist unglaublich." Leah sagte einmal auf die Frage, wie es sei, mit einer Berühmtheit verheiratet zu sein, schlicht: "Als ich ihn kennenlernte, war er nicht berühmt, sondern ein kleiner dünner Lehrer."
Dieser ehemalige Lehrer ist wohl der einzige, der als Bischof Fragen stellen darf wie: "Homosexualität ist etwas Gegebenes, wie kann man sich diesen Menschen mit klarem Bewusstsein entgegenstellen?" Immer wieder fordert er zum "Menschsein" auf. Sein Ziel, eine neue Art der Gesellschaft zu schaffen, eine mitfühlende, fürsorgliche, habe Südafrika noch nicht erreicht. Bezogen auf die WM glaubt er aber, der Sport habe "eine außergewöhnliche Kapazität, Menschen zu einen". Sie sei eine tolle Gelegenheit, der Welt ein anderes Gesicht Südafrikas zu zeigen". Und noch etwas gehört zu seinen Leitsätzen: "Siegen ist schön, doch der wahre Genuss liegt im Trösten der Verlierer."