Warnstreik Erzieher: Zwischen Windeln und Formularen
Was wollen die Erzieher mit dem Streik erreichen? Eine stellvertretende Kita-Leiterin berichtet von ihrem Alltag.
Wuppertal. Tausende Erzieher an kommunalen Kitas sind in dieser Woche erneut in den Warnstreik eingetreten. Die Gewerkschaften fordern für die Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst bundesweit eine höhere Eingruppierung und damit im Durchschnitt eine Gehaltserhöhung um zehn Prozent. Die Kommunalen Arbeitgeberverbände lehnen eine Erhöhung bisher ab. Hunderte Kitas bleiben alleine heute deshalb geschlossen.
Begründet wird der Streik mit gestiegenen Anforderungen. Petra Schifano-Leimbach ist seit 20 Jahren Erzieherin. „Wir haben immer mehr Aufgaben und dabei viel weniger Zeit für die Kinder“, klagt die 42-Jährige. Ihre Ausbildung hat sie in Mettmann und Wuppertal gemacht. Heute ist sie stellvertretende Leiterin einer Tageseinrichtung für Kinder in Wuppertal-Vohwinkel.
Die ersten Kinder werden um 7 Uhr in die Einrichtung gebracht. Nach einem gemeinsamen Morgenkreis in der Gruppe dürfen sie sich frei durch die Einrichtung bewegen und an verschiedenen Angeboten teilnehmen — von Rollenspielen über Konstruktionsarbeit bis Leseecke. „Die Kinder profitieren heute von verschiedenen Lernarten und werden selbstständiger, aber die Betreuung ist natürlich schwieriger als in kleinen Gruppen“, so Schifano-Leimbach.
Insgesamt betreuen 14 Erzieher 101 Kinder. Zum Mittagessen bleiben heutzutage alle. Manche Kinder bringen ein Brot mit, andere essen eine warme Mahlzeit vom Caterer — die Köchin wurde eingespart. Dafür, dass die Kinder sich aus den Töpfen selbst bedienen, bleibt keine Zeit mehr: „Die ersten Kinder machen um 12.30 Uhr Mittagsschlaf, das Essen muss dann schnell gehen.“
Auch für Sportpädagogen ist kein Geld mehr da. „Die haben mit den Kindern richtige Turnübungen gemacht, das können wir gar nicht mehr leisten“, bedauert Schifano-Leimbach.
Besonders die Betreuung der Kinder unter drei Jahren sei zeitintensiv. Das jüngste Kind ist ein Jahr und neun Monate alt. „Es dauert sehr viel länger, zu den ganz kleinen Kindern eine Bindung aufzubauen“, berichtet Schifano-Leimbach. Und anders als früher müssen heute auch manche Drei- und Vierjährige gewickelt werden.
Wenn die ersten Kinder ab 14.30 Uhr die Einrichtung verlassen, füllt Schifano-Leimbach Dokumentationsbögen aus, unter anderem zu Sprachförderung und -entwicklung. „Die Schreibarbeit ist mehr geworden, aber sinnvoll. Ich würde mir allerdings wünschen, mich über das ein oder andere Kind auch mit meinen Kollegen austauschen zu können. Vieles muss nebenbei laufen.“ Das letzte Kind wird um 16.15 Uhr abgeholt.
Petra Schifano-Leimbach will auf die Bedeutung ihres Berufs aufmerksam machen: „Wir sind die erste Bildungseinrichtung im Leben und wünschen uns für unsere wichtige Arbeit die entsprechende Anerkennung.“ Im Sozial- und Erziehungsdienst herrscht Personalmangel. Schifano-Leimbach hofft, dass ein besserer Lohn ihren Beruf auch für junge Erwachsene attraktiver macht.