Es hat sich ausgediddelt
Hamburg/Geesthacht (dpa) - Diddl. Es braucht nur diese fünf Buchstaben für eine Maus. Und Kinder jubelten und quengelten, Eltern stöhnten - oder fühlten mit dem Nachwuchs mit.
Nach den Boomjahren der 1990er für den Vertreiber, die Firma Depesche im schleswig-holsteinischen Geesthacht, lässt er es nun ausdiddeln. Das Unternehmen hat die Lizenz an den Erfinder Thomas Goletz zurückgegeben.
„Wir werden die Produkte noch bis Jahresende verkaufen“, sagte Firmensprecherin Wiebke Wolf am Mittwoch. Zuvor hatten mehrere Medien über das mögliche Aus der Diddl-Maus berichtet, die 1990 in ersten Zeichnungen das Licht der Kinderwelt erblickte. Ob Goletz die Lizenz weiterverkaufen wird, ist offen. Selbst für das Unternehmen ist er derzeit nicht zu erreichen. Unter den „Diddl-News“ im Internet heißt es hoffnungsvoll, dass der Erfinder für die kommenden Jahre „viele neue blubberbunte Abenteuer mit Diddl und seinen Freunden“ plane.
Bei Depesche, einem der führenden Grußkarten- und Geschenkartikelanbieter in Europa, blicken die 320 Mitarbeiter wehmütig zurück. „Es ist immer ein Glück, ob man den Zeitgeist trifft. Das scheint Herr Goletz gehabt zu haben“, sagt die Sprecherin. „Das war eine schöne Zeit, ein tolles Produkt, eine fröhliche, schöne Sache.“
Manche Eltern mögen das anders sehen: „Diddl konnte für Wochen das elterliche Liebesleben lahmlegen. Ich spreche da aus Erfahrung“, schrieb Vater Ingolf Gillmann in der „Bild am Sonntag“. Er sollte nach Töchterchens Willen einst das Ehebett mit Diddl in Plüsch teilen. Die Reizfigur fordert das „Zeit Magazin“ zu einer Gesellschaftskritik heraus: „Es ist das Ende einer langen Diktatur. Mehr als zwei Jahrzehnte hat Diddl junge und nicht ganz so junge Mädchen im Griff gehabt.“
In der Tat: Der Siegeszug war nicht aufzuhalten. Zur ersten Diddl-Ausstellung 1999 strömten rund 80 000 Fans aus ganz Deutschland ins historische Museumshaus ins beschauliche Geesthacht an der Elbe. Im gleichen Jahr und passend zum Internet-Hype ging auch „Diddls Käsepäitsch“ online. Die CD „Komm Knuddel mich!“ wird drei Jahre später sogar mit einer Goldenen Schallplatte belohnt. Im Diddl-Jargon alles „edelgoudafein“, „spitzespannend“, „granatengrandios“.
Zum 20. Geburtstag am 24. August 2010 wurde die Website zwar wieder aufgepeppt. Es wurde aber ruhiger um die Figur, die ursprünglich einem anderen Tier glich. „In den allerersten Zeichnungen war Diddl allerdings ein Känguru, noch ohne Namen, aber bereits mit seiner bekannten Latzhose“, sagte Goletz einst dem Fanmagazin „Käseblatt“. „Doch bald darauf beschloss ich, das Kerlchen viel viel kleiner und handlicher zu zeichnen, damit ich es besser in eine Kaffeetasse oder ein Käsestück hineinsetzen konnte. So wurde aus dem Känguru Diddl, die Springmaus.“
Nach den ersten Diddl-Postkarten, von denen nach Firmen-Angaben rund 23 Millionen Stück allein bis 1999 europaweit versendet wurden, entstand um die Marke ein Merchandising-Geschäft mit Plüschfigur, Magazin, Schreibwaren und Schulranzen, Bettwäsche und Kaffeebecher - bis 1998 waren es allein 2400 Produkte. „Nein, wir haben nie eine Werbeagentur dafür gehabt“, beteuert die Sprecherin. Geschweige denn Anzeigen geschaltet. „Wir sind immer auf die Wünsche der Kinder eingegangen.“
Und die fanden ihre begehrten Objekte im Einzelhandel - bei „Tante Emma“ ebenso wie in Warenhäusern und Drogeriemärkten. „Diddl war ein Umsatzbringer“, sagt Wolf, ohne genaue Erlöse nennen zu wollen. In fast einem Vierteljahrhundert mauserte sich das „Mäuschen“ auch zu einem begehrten Sammel- und Tauschobjekt - und könnte weiter an Wert gewinnen, wenn es keine Wiedergeburt gibt.