Ex-Lauf-Star Sebastian Coe: Ein Baron als Herr der Ringe

Der englische Ex-Lauf-Star Sebastian Coe ist als Chef des Organisationskomitees für Olympia an Tempo gewöhnt.

London. Eine Espresso-Bar in Stratford tauft sich „Olympic“ und verletzt damit die für Coe so kostbaren Markenrechte der Spiele. Es gibt Ärger, das Café nennt sich jetzt trotzig „Lympic“ — ein Sieg für Coe, aber keiner, der ihn in der Hauptstadt beliebter macht.

Tauschen möchte mit dem 55-Jährigen ohnehin kein anderes Alpha-Tier im Hochleistungslondon: Coe soll die Kritiker des Spektakels überzeugen, das Budget im Zaum halten, Tausende Spitzenathleten reibungslos willkommen heißen, der Stadt ein Erbe an Sportstätten hinterlassen und nebenbei die Welt begeistern. Da kann man nur scheitern. Coe aber will gewinnen, mal wieder.

Über Leistung, Potenzial und harte Arbeit könnte er eine Menge erzählen. Drei Weltrekorde ist Coe 1979 als Mittelstreckenläufer innerhalb von 41 Tagen gelaufen. Sein eigentlicher Kampf aber, der hat nicht auf der Tartanbahn stattgefunden.

Coe stammt aus einfachen Verhältnissen, ein Umstand, der seinen ambitionierten Vater nicht einschüchtern sollte. Mit zwölf Jahren begann Coe sein Training, mit 23 Jahren lief er erstmals bei den Olympischen Spielen. Dazwischen liegen lange Jahre, in denen der Senior ihm die elegante Schnelle und den Willen zum Sieg antrainieren würde: Er war für seinen Sohn Coach, Sponsor und härtester Kritiker, ein Kriegsveteran, der für seinen scharfen Ton so legendär war wie für die überkorrekte Krawatte, die er selbst noch unter dem Jogginganzug trug.

Als Sprössling von in England verpönten Sozial-Aufsteigern, ein Streber dazu, hatte Coe es auch jenseits des Sportplatzes nicht leicht. Er rasselte durch den Eignungstest fürs Gymnasium, wurde gehänselt. „Mit dem Namen Sebastian hatte man in den Siebzigern an einer städtischen Schule echt ein Problem“, erinnert er sich, „man musste lernen, sich im Griff zu haben.“

Mittlerweile hat er einen Uni-Abschluss in Wirtschaft und Sozialgeschichte, elf Weltrekorde und vier Olympia-Medaillen gesammelt. Nach Ende seiner aktiven Sportler-Karriere wechselte er binnen weniger Tage in die Politik, zog 1992 als Tory-Abgeordneter ins Parlament. Coes Erfolg in Westminster währte jedoch nur kurz: Nach fünf Jahren fiel er dem Labour-Erdrutsch-Sieg zum Opfer. Geblieben ist vor allem die Legende, dass er mit dem Tory-Fraktionschef William Hague, heute Außenminister, Judo in der Mittagspause trainiert hat.

Durchtrainiert, schlank und unkompliziert kommt der 55-Jährige auch heute noch daher. Vier Verdienstorden, der Titel des Barons und das verliehene Amt des Lords im Oberhaus schmücken die Lauflegende inzwischen. Sein jetziges Amt kommt mit einem dicken Jahresscheck und einem schicken Büro daher. Dort ist er täglich bis 24 Uhr als „Gesicht der Olympischen Spiele“ im Einsatz. Nebenher läuft er über 30 Kilometer pro Woche — zum Spaß.

Genau diese Fähigkeit, nämlich sich zu Höchstleistungen anzutreiben, vermisst Coe bei Jüngeren. Dass das Olympia-Fieber keine breite Sportbegeisterung bei den Briten entfachen wird, darüber macht er sich keine Illusionen.

Allerdings fürchtet er, dass sich in Zukunft nicht mehr ausreichend arbeitswillige Sporttalente finden lassen. „Viele Jugendliche leben in einer Welt von Reality TV und Casting-Shows“, sagt er, „dort wird genau das Gegenteil einer athletischen Karriere gezeigt: Man wird über Nacht berühmt, statt über Jahre hartnäckig an sich zu arbeiten.“