Fahrradtourismus boomt in NRW
Rund 14 000 Kilometer lang sind die Radwege in NRW. Das lockt immer mehr Radler — nicht nur aus der Region selbst.
Düsseldorf. Es braucht nur ein paar Sonnenstrahlen und der 74-jährige Meinhard Mlynek schwingt sich aufs Rad. Wie so oft ist er unterwegs auf dem 230 Kilometer langen Ruhrtalradweg, einer von 40 Themenrouten, mit denen das Land Radtouristen lockt. „Wenn das Wetter gut ist, fahre ich hier jeden Tag mit dem Rad. Der Weg ist einfach wunderschön — ein Traum“, sagt Mlynek über die Route, die am Essener Baldeneysee entlang führt. Mlynek ist einer von vielen Radfahrern, die sich jetzt auf den Radwegen in Nordrhein-Westfalen tummeln.
Fast 15 Millionen funktionstüchtige Fahrräder besitzen die Menschen in Nordrhein-Westfalen. Nach Angaben des Statistischen Landesamtes stehen in knapp 80 Prozent aller Haushalte im Schnitt 2,2 Fahrräder bereit. Spätestens jetzt im Frühling nutzen auch ungezählte Einheimische ihren Drahtesel für einen Ausflug ins Grüne.
In den vergangenen drei Jahrzehnten haben Kommunen, Land und Bund insgesamt etwa 1,6 Milliarden Euro in den Bau von 9000 Kilometer Radwegen in Nordrhein-Westfalen investiert. Allein das landesweite Radverkehrsnetz, das die Städte und Gemeinden verbindet, umfasst bereits mehr als 14 000 Kilometer Radwege. Hinzu kommen Radwege beispielsweise zu Sehenswürdigkeiten. Mittlerweile gibt es über 40 ausgewiesene Themen- und regionale Routen im Land, 70 landesweite Radstationen und mehr als 600 fahrradfreundliche Gastbetriebe.
„Der Radtourismus ist in den letzten Jahren zu einem der wichtigsten Segmente im nordrhein-westfälischen Tourismus geworden“, sagt Julie Sengelhoff von Tourismus NRW. Die beliebtesten Gebiete der Fahrradfreunde sind nach wie vor das Münsterland und der Niederrhein. Aber auch im Ruhrgebiet steigt die Zahl der Freizeitradler. „Unter anderem liegt das an den vielen Radwegen, die auf stillgelegten Bahntrassen entstanden sind“, meint Jochen Schlutius, Sprecher der Ruhr Tourismus GmbH. Eine Million Tagesausflügler sind nach Angaben von Ruhr Tourismus pro Jahr allein auf den 230 Kilometern Ruhrtalradweg zwischen Winterberg und Duisburg unterwegs.
Davon profitierten Hotel- und Gastbetriebe, erläutert Schlutius. Schließlich will der müde Radler nach des Tages Mühen gut speisen und schlafen. „Viele Hoteliers wollen am Erfolg des Ruhrtalradweges teilhaben“, sagt er. „Vor allem am Wochenende standen früher viele Hotelbetten wegen den ausbleibenden Geschäftskunden leer. Durch die Radtouristen können die Hotels nun auch samstags und sonntags die Betten füllen.“ Zusätzlich lockten spezielle, fahrradfreundliche Angebote und belebten so das Wochenendgeschäft der Betriebe.
Beobachtet man das rege Geschehen auf dem Ruhrtalradweg einige Zeit, fällt auf, dass viele der flotten Radler zur Gruppe der „Best Ager“ gehören, wie es Schlutius von Ruhrtourismus ausdrückt. „Die Generation 50 plus tritt immer häufiger in die Pedale“, meint er. „Viele von ihnen werden von motorbetriebenen E-Bikes unterstützt.“
So ein motorbetriebenes Rad hat sich auch der 74 Jahre alte Mlynek vor rund vier Jahren geleistet. „Seitdem bin ich schon über 14 000 Kilometer gefahren“, berichtet er. Der Motor helfe bei schwierigeren Strecken. „Jetzt muss ich aber weiter“, sagt er schließlich. „Ich will heute rund 40 Kilometer fahren.“ Dann schwingt er sich wieder in den Sattel und radelt davon.