Fair Play: Athleten unter Druck
Was zählt der Gedanke des Fair Play in Zeiten von Kommerzialisierung und Doping?
Köln. Es war einer der Höhepunkte bei der Eröffnung der Olympischen Spiele: Taekwondoin Sarah Stevenson schwor den olympischen Eid und versprach stellvertretend für alle Athleten, das Fair Play zu achten, Regeln einzuhalten und nicht zu dopen. „Dabei sein ist alles“, ist das Leitmotiv, wenn es um den olympischen Gedanken geht.
Das eigentliche Motto von Pierre de Coubertin lautet aber „Höher, schneller, stärker“ — passender in Zeiten, in denen es im Sport um viel Geld geht? Manch ein Zuschauer empfindet es so, als werde die Idee des Fair Play der Medaillenzählerei und der Jagd nach Rekorden geopfert.
„Zu den Zielen der Olympischen Spiele gehören Völkerverständigung und Frieden“ sagt Jörg-Uwe Nieland von der Deutschen Sporthochschule in Köln. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) gibt Fair Play als Leitidee des Sports aus — und vergibt einen Preis für faires Verhalten. Den gewann bereits der deutsche Kanute Andreas Dittmer, weil er sich in Sydney (2000) gegen die Disqualifikation seines Rivalen aussprach.
Zum Fair Play gehören auch gleiche Bedingungen. Doch dass jeder gewinnen kann, ist längst nicht mehr denkbar. „Die meisten Sportarten von Rudern bis Fechten sind nur mit großem finanziellen und technischem Aufwand möglich“, sagt Nieland.
So rücken Stars wie Usain Bolt in den Fokus. Eine Medaille bei Olympia können sich Sportler wie er bei anschließenden Leichtathletik-Meetings vergolden. Zwischen 250 000 und 300 000 Dollar verlangt Bolt für den Start bei einem Wettkampf. „Diese Hervorhebung führt zu Neid. Da soviel Geld im Spiel ist, werden auch die Verlockungen größer, sich Vorteile zu verschaffen“, so Nieland.
Das kann auch Doping sein. Neu ist der Griff zu verbotenen Substanzen nicht. Der Unterschied: Im Kalten Krieg herrschte politischer Druck, heute kommerzieller. Die Sportler müssen erfolgreich sein, um sich finanzieren zu können. Deutsche Spitzensportler verdienen laut einer Studie im Schnitt 1919 Euro im Monat. Nieland: „Sportlerinnen aus Randsportarten ziehen sich zur Steigerung des Bekanntheitsgrades sogar für den Playboy aus.“ Lukrative Werbeverträge locken.
Auch das IOC selbst hat die Spiele kommerzialisiert. „Sie sind zu einer globalen Medienshow geworden. Das verstärkt die Korruption“, sagt Nieland. Als „Sündenfall“ bezeichnet er Atlanta (USA) 1996. „Das waren fast Coca-Cola-Spiele.“ Hundert Jahre nach der Olympia-Premiere der Neuzeit bot sich Athen als Spielstätte an. Doch das IOC entschied sich für Atlanta.
Weil die TV-Übertragungsrechte viel Geld brachten, verlängerte man die Spiele um einen Tag. Sponsoren waren so präsent wie nie zuvor. Der Trend besteht fort. Auch in London gibt es um die Spielstätten nur Visa-Card-Geldautomaten und Fritten von Mc Donalds.