Fall Kachelmann: Medienschelte und Justiz-PR-Panne
Mannheim/Berlin (dpa) - Nach dem Freispruch für Jörg Kachelmann hagelt es Kritik an Medien, Staatsanwaltschaft und Verteidigung wegen einer ausufernden Berichterstattung und der Weitergabe von Informationen.
Gleichzeitig unterläuft ausgerechnet dem Gericht eine peinliche Pressepanne.
Nach dem Urteil entbrannte ein Streit über mögliche Beschränkungen bei der Prozessberichterstattung. Befürworter wollen damit mutmaßliche Opfer von Sexualdelikten besser schützen. Zugleich leistete sich das Gericht einen Fauxpas, der ausgerechnet die Nebenklägerin im Prozess gegen Jörg Kachelmann traf. In einer Pressemitteilung veröffentlichte das Landgericht Mannheim den Namen der Ex-Geliebten in dem Vergewaltigungsprozess. Auch im Internet war der Name der Frau zu lesen.
„Das war ein Versehen, das wir kurz darauf korrigiert haben“, sagte ein Sprecher des Gerichts am Mittwoch. Während des Prozesses hatte sich das Gericht sehr um den Schutz der Privatsphäre bemüht und die Öffentlichkeit über weite Teile des Verfahrens ausgeschlossen. Die Frau hatte Kachelmann beschuldigt, sie vergewaltigt zu haben.
Am Tag nach dem Freispruch für den Schweizer Wettermoderator hielten sich alle Prozessbeteiligten bedeckt: Die Staatsanwaltschaft hat noch nicht darüber entschieden, ob sie - zumindest pro forma - Revision einlegen will. Dies gilt allerdings als wahrscheinlich, da die Kammer nur dann verpflichtet ist, eine ausführliche Urteilsbegründung zu schreiben. Der Anwalt der Nebenklägerin wollte sich am Mittwoch überhaupt nicht mehr zu Journalisten äußern. Kachelmanns Verteidiger Johann Schwenn und Andrea Combé waren nicht für Stellungnahmen erreichbar.
Auch das baden-württembergische Justizministerium gab keine Stellungnahme zur umstrittenen Rolle der Mannheimer Staatsanwaltschaft in dem Prozess ab. Es gelte der Grundsatz der Unabhängigkeit der Justiz, hieß es. Die Anklage hat ebenso wie die Verteidigung offensichtlich vor und während des Prozesses Material und Informationen an Medien weitergegeben.
Der Vorsitzende des Rechtsausschusses im Bundestag, Siegfried Kauder (CDU), forderte auch deshalb, die Berichterstattung über Vergewaltigungsprozesse zu beschränken. „Es darf nicht sein, dass die Intimsphäre der Betroffenen bis in den letzten Winkel in aller Öffentlichkeit ausgebreitet wird, sagte er der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Mittwoch). Die Medien müssten verpflichtet werden, nicht über Aussagen zu berichten, die vor Gericht unter Ausschluss der Öffentlichkeit gemacht würden. Kauder schlug vor, strengere Auflagen für die Berichterstattung über Sexualdelikte notfalls gesetzlich zu regeln, „soweit die Medien sich nicht zu einer überzeugenden Selbstverpflichtung bereiterklären“.
Dies lehnt der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) kategorisch ab. Der Pressekodex des Deutschen Presserates ziehe hier schon eindeutige Grenzen, sagte der DJV-Bundesvorsitzende Michael Konken am Mittwoch. „Der Schutz der Privatsphäre von Opfern wie auch von Zeugen hat Vorrang vor der Berichterstattung“, sagte er. „Diese Selbstverpflichtung der Medien macht gesetzliche Regelungen überflüssig (...) Rechtspolitiker sollten sich erst mit der Sachlage vertraut machen, bevor sie die Pressefreiheit in Teilen zur Disposition stellen.“ Außerdem sei es verfassungswidrig, die Berichterstattung per Gesetz einzuschränken. Der FDP-Rechtspolitiker Hartfrid Wolff nannte Kauders Vorschlag „absurd“.