Mangel Fahrradstellplätze Wohin mit dem Fahrrad am Bahnhof?

Berlin · Wer regelmäßig mit dem Rad zur Zughaltestelle fährt, nimmt dafür meist ein Uralt-Exemplar. Vielerorts gibt es zu wenige Stellplätze, um die Drahtesel sicher anzuschließen. Das soll sich ändern.

 Viele Bahnhöfe haben nicht genug Abstellmöglichkeiten für Fahrräder. Das ärgert die Fahrer und auch den ADFC.

Viele Bahnhöfe haben nicht genug Abstellmöglichkeiten für Fahrräder. Das ärgert die Fahrer und auch den ADFC.

Foto: Martin Ribbe

Beim Berliner Hauptbahnhof, da sind sich die Einheimischen sicher, haben die Planer die Radfahrer schlicht vergessen. Wer dort mit dem Fahrrad zum Zug fährt, muss sich den Stellplatz für sein Gefährt meist nach eigenem Gutdünken an Masten und Pollern suchen – die wenigen Abstellbügel sind stets proppenvoll. Am Bahnhof von Oranienburg hingegen steht ein nagelneues Fahrradparkhaus samt Schließfächern, in denen man sogar den Akku des E-Bikes laden kann. Die Situation in den anderen Kommunen Deutschlands liegt irgendwo zwischen diesen beiden Polen – doch meist auf der unbefriedigenden Hälfte, wie Experten unisono urteilen.

Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) etwa sprach vor einem Jahr nach einem bundesweiten Test von Bike+Ride-Anlagen von einer „Horrorstory“. Seither gab es zwar einige Bewegung bei dem Thema, „doch unter dem Strich ist es eher desaströs was die Abstellsituation an den Bahnhöfen angeht“, sagt ADFC-Sprecher René Filippek.

In München etwa stehen die Räder dicht gedrängt und ineinander verhakt in Ständern, in denen nur das Vorderrad Platz findet. Den Rahmen anschließen? Fehlanzeige. Aber da es eh viel zu wenige Ständer gibt, macht das auch keinen großen Unterschied. „Gerade viele große Bahnhöfe haben eigentlich gar keine reelle Abstellmöglichkeit. Das geht aber hin bis zum Dorfbahnhof, wo drei Abstellbügel stehen, die dann mit drei Schrotträdern belegt sind.“

Nun könnte man einwenden: Der ADFC ist ein Lobbyverein, natürlich meckert der rum. Doch auch gänzlich unverdächtige Experten stimmen seiner Analyse zu. So sieht der Deutsche Städte- und Gemeindebund deutschlandweit einen erheblichen Mangel. „Gerade im Umland der größeren Städte, wo viele Pendlerinnen und Pendler das Fahrrad zur Bahn benutzen, ist die Nachfrage enorm“, erläutert ein Sprecher.

Bis zu 100.000 neue Fahrradstellplätze bis Ende 2022

Perspektivisch schätzt der Städte- und Gemeindebund den Bedarf auf mehr als eine Million zusätzlicher Stellplätze. Da ist die Initiative bike+ride nur ein Tropfen auf den heißen Stein – der aber immerhin eine kleine Abkühlung bringen soll. Bis zu 100.000 neue Fahrradstellplätze sollen dadurch bis Ende 2022 entstehen; dann wären es bundesweit rund eine halbe Million. Das Bundesumweltministerium übernimmt dabei 40 Prozent der Kosten. Grundsätzlich sollen alle förderfähigen Anträge bewilligt werden.

Im ersten „Antragsfenster“ Anfang des Jahres wurden zehn Anträge aus Bayern, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Hessen für 2700 neue Radabstellplätze eingereicht, wie das Ministerium mitteilte. Zudem gingen bei der Bahn 250 Anfragen für Vor-Ort-Besichtigungen ein. Für die zweite, derzeit laufende Bewerbungsphase rechnet das Ministerium deshalb mit einer größeren Nachfrage.

Ein immer wieder zu hörendes Problem: Die Kooperation zwischen den Kommunen und der Bahn ist kompliziert. Das soll im Rahmen der Initiative aber besser werden: Die Deutsche Bahn soll helfen, geeignete Standorte zu finden sowie die Abstellanlagen zu planen und zu montieren. Wenn sich die identifizierten Flächen nicht im Eigentum der Kommunen, sondern der Bahn befinden, soll die unentgeltliche Nutzung über Muster-Gestattungsverträge geregelt werden. Was dann auf den Flächen passiert, hängt vor allem von der Finanzlage und den Prioritäten der jeweiligen Kommune ab. Als Vorbild werden von allen Seiten die Niederlande genannt, wo es eine gute Bedarfsermittlung und ein einfaches Prozedere von der Planung über die Finanzierung bis hin zum Betrieb von Fahrradabstellanlagen gibt.

Doch da der Bau von Fahrradstationen auf breiter Front in Deutschland derzeit eher unrealistisch ist, wünscht sich die Fahrradexpertin des Verkehrsbündnisses Allianz pro Schiene, Nicol Mierz, in einem ersten Schritt sichere, trockene und beleuchtete Abstellmöglichkeiten, „nicht im hintersten Eck auf der Bahnhofsrückseiten-Nebenstraße unter einer Brücke“.

Wie gut solche Möglichkeiten angenommen werden, zeigt das Projekt „Dein Radschloss“ in NRW. Für einen Euro am Tag oder 70 beziehungsweise 90 Euro im Jahr können Radler sich einen Stellplatz in einer Garage oder eine eigene Box mieten.