Fischer an der US-Golfküste fürchten um Lebensgrundlage
Vor fünf Jahren verwüstetete Hurrikan „Katrina“ die Region. Nun bedroht die Ölpest die Küste im Bundesstaat Louisiana.
Venice. Ein Pelikan segelt in niedrigem Flug über das Wasser im Hafen von Venice. Sportjachten dümpeln in den Wogen, Krabbenkutter tuckern in Richtung offene See, Fischer sortieren ihren Fang. Das Idyll hier im Mündungsbereich des Mississippi-Deltas trügt, der Fischer Ernest Adams ahnt Schlimmes. "Alle werden ihre Arbeit verlieren", murmelt er düster, während er auf dem Pier frische Fische ausnimmt. "Alle."
Erst vor fünf Jahren verwüstete der Hurrikan "Katrina" die Küstenregion im US-Bundesstaat Louisiana. Nun bedroht die Ölpest im Golf von Mexiko die Erwerbsgrundlage der Fischer. Die ersten Ausläufer der Ölpest erreichten die Küste gestern Nacht. Am schwersten lastet die Hilflosigkeit angesichts der herannahenden Katastrophe auf den Fischern von Venice. "Wir warten einfach darauf, dass das Öl kommt und die Grundlage unseres Lebens zerstört", sagt Brent Roy, der Kapitän eines Charter-Boots.
Kapitänskollege Allen Welch widerspricht: Die Ölpest sei für die Fischer sogar noch schlimmer als die gefürchteten Monsterstürme. "Nach einem Hurrikan läuft wenigstens das Fischen richtig gut." Denn in den aufgewühlten Fluten gingen die Fische besonders leicht ins Netz. "Diesmal sieht es aber gar nicht gut aus", sagt Welch.
Die Ölpest trifft die ökologisch empfindliche Delta-Küste ausgerechnet in der Brutzeit von Fischen und Wasservögeln. Am Mittwoch gaben die zuständigen Behörden vorzeitig die Genehmigung zum Krabbenfang und zur Austernernte, damit die Fischer in einem Wettlauf gegen die Zeit noch einiges an Fang einfahren können, ehe der giftige Ölschlick alles vernichtet.
Brent Roy, Kapitän eines Charter-Bootes
Die Fischereiwirtschaft setzt in Louisiana rund 2,4 Milliarden Dollar im Jahr um. Im Mississippi-Delta ist sie das Rückgrat der Wirtschaft. Die Gegend zählt zu den ärmsten in den USA. Wenn die Krabbenfischer nun aufs Meer fahren, haben sie nicht nur ihre Netze an Bord, sondern auch die leuchtend orangefarbenen Schwimmbarrieren. Kilometerweit erstrecken sich die Schwimmbarrieren inzwischen vor der Küste Louisianas, sie sollen zumindest einen Teil des giftigen Ölschlicks zurückhalten.
Doch das Wetter spielt nicht mit: Der Wind hat an Fahrt gewonnen und peitscht das Meer auf. Die Wellen reißen die Barrieren hoch und runter. An Land, im sonst so verschlafenen Fischerort Venice, macht sich Katastrophenstimmung breit. "Es ist hart, schon wieder ein Unglück dieses Ausmaßes zu haben", sagt die Gastronomin Renee Cross. Sie ist erschöpft: "Ich gehe lieber pleite und mache den Laden dicht, als dass ich nochmal so ein Desaster mitmache", seufzt sie.