Flugsicherung will Jets notfalls vom Boden steuern können
Köln/Paris (dpa) - Als Konsequenz aus der Germanwings-Katastrophe hat die Deutsche Flugsicherung eine Art Fernsteuerung von Flugzeugen vorgeschlagen. In Notfällen könnten Flugzeuge demnach vom Boden aus gelenkt und zur Landung gebracht werden.
An einem ähnlichen Projekt hatten Experten schon nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 gearbeitet. An diesem Freitag soll im Kölner Dom der Opfer des Germanwings-Absturzes gedacht werden, bei dem vor mehr als drei Wochen 150 Menschen ums Leben kamen.
Die Identifizierung der Opfer wird noch etwa sechs Wochen dauern. Außerdem will die französische Luftfahrt-Untersuchungsbehörde Bea in den kommenden Wochen einen Zwischenbericht mit dem genauen Flugverlauf veröffentlichen. Rund 80 Prozent der Germanwings-Maschine sind bisher geborgen.
Der Airbus war auf dem Weg von Barcelona nach Düsseldorf in den französischen Alpen zerschellt. Der Copilot soll den Kapitän absichtlich aus dem Cockpit ausgesperrt und die Maschine zum Absturz gebracht haben. Das hatten erste Auswertungen der Flugschreiber-Daten ergeben.
Der Chef der Deutschen Flugsicherung (DFS), Klaus-Dieter Scheurle, sagte am Mittwoch, die Technik zur Steuerung von Flugzeugen vom Boden aus sei bei Drohnen grundsätzlich vorhanden. Er wolle den Vorschlag in der nationalen Task Force zur Flugsicherheit gründlich diskutieren. Mit einer Umsetzung rechne er allerdings frühestens im nächsten Jahrzehnt, sagte Scheurle.
Man könne an die Ergebnisse des früheren EU-Forschungsprojekts „Sofia“ (Safe automatic flight back and landing of aircraft) anknüpfen, erklärte der DFS-Chef. In dem Projekt war im Simulator bis 2009 getestet worden, wie man ein entführtes Flugzeug vom Boden steuern könnte. Einen Testlauf mit einem realen Flugzeug hatte es aber nicht gegeben.
Die Untersuchungsbehörde Bea - Frankreichs Gegenstück zur deutschen Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung - arbeitet unterdessen weiter an der Analyse der Flugschreiber. Derzeit würden die Daten des Stimmenrekorders und des Flugdatenschreibers synchronisiert, sagte eine Sprecherin am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. In dem geplanten Zwischenbericht wollen die Experten auf Basis der Blackbox-Daten präzise den Ablauf des Fluges schildern.
Die französischen Ermittler hoffen, die nötigen Analysen zur Identifizierung der Opfer bis Ende Mai abzuschließen, wie der Marseiller Staatsanwalt Brice Robin der dpa sagte. Hinweise auf ein technisches Problem an Bord gebe es bislang nicht: „Gegenwärtig gibt es keinen Beweis für irgendeinen Defekt“, sagte Robin.
In den französischen Alpen haben Einsatzkräfte bereits 34 Tonnen der abgestürzten Maschine geborgen - das sind rund 80 Prozent des gesamten Airbus-Fliegers. Die Wrackteile seien in einer zentralen Halle in Seyne-les-Alpes nahe dem Absturzort gelagert worden, sagte ein Sprecher der Lufthansa in Marseille. Mit Blick auf die aktuell günstigen Witterungsbedingungen rechnet Lufthansa mit einem Abschluss der Bergungsarbeiten innerhalb von zwei bis drei Wochen. Anschließend soll die Unglücksstelle saniert werden, um Umweltschäden zu vermeiden.
Daneben konzentriert sich Lufthansa weiter auf die Unterstützung der Angehörigen. Dabei gehe es um praktische und finanzielle Hilfe sowie Beratungsangebote, sagte Finanzvorstand Simone Menne nach Lufthansa-Angaben.
In Köln wird in einem ökumenischen Trauergottesdienst der Opfer der Katastrophe gedacht. Dazu werden unter anderem Bundespräsident Joachim Gauck, Bundeskanzlerin Angela Merkel sowie Regierungsvertreter aus Frankreich und Spanien erwartet. Der Gottesdienst wird auch auf Großbildleinwände auf dem Bahnhofsvorplatz und in einer benachbarten Kirche übertragen. Geleitet wird der Gottesdienst vom Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki und Annette Kurschus, Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen.
Unter den rund 1400 Gästen im Dom seien voraussichtlich mehr als 500 Hinterbliebene, teilte die nordrhein-westfälische Staatskanzlei mit. Sie werden von Notfallseelsorgern begleitet. „Wir sind da, um bei Bedarf zu stabilisieren, Orientierung zu geben, zu stärken, so dass Menschen Gesprächspartner finden, wenn sie es denn brauchen“, sagte der Leiter der Notfallseelsorge der Evangelischen Kirche im Rheinland, Uwe Rieske, der dpa.
Die Stadt Haltern am See, aus der viele Opfer stammten, bemüht sich derweil um eine langsame Rückkehr zur Normalität. 16 Schüler und 2 Lehrerinnen des örtlichen Gymnasiums waren an Bord des Flugzeugs. Schulleiter Ulrich Wessel mahnte aber auch, die anderen Opfer nicht zu vergessen. „Mir ist es unangenehm, dass unsere Schule immer zuerst genannt wird“, sagte er der dpa.