Forschung: Riesiger Meteorit über der Stadt Tscheljabinsk

Vor einem Jahr explodierte ein riesiger Meteorit über der Stadt Tscheljabinsk — dank vieler Fotos ein Glücksfall für die Forschung.

Foto: Marat Achmetvaleev

Paris/Tscheljabinsk. Als vor gut einem Jahr über dem russischen Tscheljabinsk ein Asteroid explodierte, herrschte zunächst Panik. Manche dachten an den Beginn eines Atomkrieges, als ein Feuerball am Himmel erschien und über der Stadt am Ural zerbarst. Die Druckwelle brachte Fenster zum Bersten und verletzte rund 1600 Menschen. Doch für die Weltraumforschung erwies sich der Einschlag des Asteroiden als Segen.

Foto: Marat Achmetvaleev

„Es war ein bemerkenswertes Ereignis“, sagt Mark Bailey, Leiter des Armagh Observatoriums in Nordirland. Denn von den wenigen Asteroiden, die den Weg der Erde kreuzen, überstehen nur einzelne den Eintritt in die Erdatmosphäre. Kommen sie durch, fallen sie meist ins Meer in Wüsten oder die Tundra. Dass der Meteorit über einer Stadt explodierte, wo Handys und Autokameras die Sensation filmten, erwies sich als Glücksfall für die Forscher. „Vor allem dank der Videoaufnahmen ist der Meteorit von Tscheljabinsk einer von nur 18, bei denen wir anhand der Flugbahn zurück rechnen konnten, von wo im Asteroidengürtel er kam“, sagt Viktor Grochowski von der Russischen Akademie der Wissenschaften.

Das Alter des Himmelsgeschosses datierten die Wissenschaftler auf 4,5 Milliarden Jahre, und schlossen daraus, dass er aus Urmaterie besteht. 20 Meter Durchmesser hatte er und ein Gewicht von etwa 13 000 Tonnen. Beim Eintritt in die Erdatmosphäre entsprach diese Masse der Energie einer halben Million Tonnen TNT oder der dreißigfachen Sprengkraft der Atombombe von Hiroshima.

Mark Bailey, Astronom

Nach Erkenntnissen von tschechischen und kanadischen Forschern brach er in einer Höhe zwischen 45 und 30 Kilometern in kleine Stücke, was noch größere Schäden auf der Erde verhinderte. Anhand seiner Flugbahn folgerten sie, dass er vermutlich Teil eines Kolosses mit einem Durchmesser von zwei Kilometern war. Dieses 86039 genannte Objekt wurde 1999 entdeckt und gelangt seither regelmäßig in die Nähe der Umlaufbahn unserer Erde.

Zum letzten Mal schlug ein großer Gesteinsbrocken 1908 auf der Erde ein, als über dem sibirischen Tunguska ein gut 70 Meter großes Flugobjekt explodierte und auf einer Fläche von mehr als 2000 Quadratkilometern rund 80 Millionen Bäume zerstörte. Beide Asteroiden gehören nach Einschätzung von Astrophysikern der mittleren Risiko-Kategorie an, die örtlich bis regional schwerste Schäden anrichten kann. Für die Auslöschung ganzer Zivilisationen sind sie zu klein.

Dies geschah vermutlich vor 65 Millionen Jahren, als ein Einschlag auf der Halbinsel Yucatán im heutigen Mexiko solch drastische Klimaveränderungen auslöste, dass die Dinosaurier ausstarben. Sorge bereitet den Wissenschaftlern jedoch der kurze Zeitraum zwischen Tunguska und Tscheljabinsk: „Statt mit einem Intervall von rund 4500 Jahren schlagen Objekte mit Tunguska-Ausmaßen anscheinend vielleicht alle paar hundert Jahre auf der Erde auf“, sagt Bailey. „Das ist sehr viel häufiger.“