Gericht Freispruch nach Liebes-Terror rund um den Kirchturm

Tägliche Liebesbekundungen - und das seit fast 15 Jahren. Ein Priester im Sauerland hatte auf die Justiz gehofft. Doch nun ist die Seniorin, die ihm so hartnäckig nachstellte, freigesprochen worden.

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Arnsberg. Er ist „die Liebe ihres Lebens“. Seit fast 15 Jahren stellt eine Seniorin einem Pastor aus dem sauerländischen Meschede nach. Seit langem beschäftigt der Liebes-Terror zwischen Pfarrhaus, Kirche und Friedhof schon die Justiz. Am Mittwoch nun wurde die liebeskranke Rentnerin wegen Schuldunfähigkeit vom Landgericht Arnsberg vom Stalking-Vorwurf freigesprochen. Der Geistliche befürchtet, dass er weiter mit fast täglichen Anrufen, SMS, mit Rosen und Luftballons in Herzform oder mit Reizwäsche und Phallus-Symbolen in seinem Vorgarten wird leben müssen.

Im Frühjahr 2014 hatte das Amtsgericht in Meschede den Fall noch anders bewertet und die Frau zu 14 Monaten Haft verurteilt. Doch ein weiteres Gutachten, das der Frau einen krankhaften Liebes-Wahn bescheinigt und vor allem die Tatsache, dass die Angeklagte trotz der drohenden Gefängnisstrafe weitermachte, ließen das Berufungsgericht den Fall jetzt anders beurteilen. „Wir haben Zweifel an der Schuldfähigkeit“, sagte der Richter. Nach dem Grundsatz „Im Zweifel für die Angeklagte“ sei deshalb nur ein Freispruch möglich.

Der Geistliche hatte einen solchen Ausgang nach dem ersten Prozesstag schon erwartet. Er fühlt sich von Justiz und Rechtsstaat im Stich gelassen. „Nach meinem rechtsstaatlichen Empfinden hört die Freiheit des einen da auf, wo sie die Freiheit des anderen berührt“, sagte Michael Hammerschmidt. Und auch wenn die Frau krank sei: „Es kann nicht sein, dass sie jemanden terrorisieren darf.“

Einige der beteiligten Juristen waren sich am Ende einig: „Hier kommt die Justiz an ihre Grenzen.“ Denn auch eine Einweisung der Frau in eine psychiatrische Klinik schloss das Gericht aus. „Sie ist zwar lästig, aber nicht gefährlich“, verdeutlichte der Richter. Und zum Glück seien die Hürden für eine Zwangseinweisung so hoch, dass man nicht einfach lästige Menschen wegsperren könne.

Tragisch ist der Fall aus Sicht des Anwalts der 72-jährigen Frau, Michael Babilon, allemal: „Der Pastor muss das nun weiter ertragen. Aber bei einem anderen Spruch hätte das für meine Mandantin „lebenslänglich“ bedeutet. Sie wäre nach der Haft zwar wieder rausgekommen, aber nur kurz, weil sie weitermacht.“ Dem Pastor ihre Liebe zu bekunden, sei zum Sinn ihres Lebens geworden. Vermutlich werde sich erst etwas ändern, wenn die Frau körperlich nicht mehr dazu in der Lage sei. „Sie wird ja auch älter.“

Die Frau war bereits mehrere Jahre in Therapie. Eine Signalwirkung gehe von dem Freispruch nicht aus, sagte ein Gerichtssprecher. „Es handelt sich um einen Einzelfall.“ Fachleute wie der Stalking-Experte Jens Hoffmann aus Darmstadt, schätzen, dass nur maximal fünf Prozent der Stalking-Täter krank sind.

Meist würden Strafandrohungen oder Urteile und die aus dem Verstoß gegen Kontaktverbote resultierenden Geldstrafen Wirkung zeigen, sagte auch Burkhard Reinberg vom Weißen Ring in Hamm. Aber es gebe auch Fälle, in denen Stalking-Opfer wegen der Einschränkungen flüchten. „Sie brechen alles ab und ziehen um, um dem Täter zu entkommen. Zum Teil sogar bis ins Ausland, wo sie sich ein neues Leben aufbauen.“