Frische Milch mit Gottes Segen

Koscheren Käse gibt es nur in Israel? Alles Quark. Im Kreis Pinneberg stellt ein Hof Lebensmittel nach jüdischen Regeln her.

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Rellingen. Sonntagfrüh, 5.40 Uhr. Wenn die meisten noch in ihren Betten schlummern, hat für den Vertreter eines Hamburger Rabbiners der religiöse Dienst bereits begonnen — in der Molkerei von „Kruses Hofmilch“ in Rellingen im Kreis Pinneberg in Schleswig-Holstein. Auf dem Bauernhof des Betriebs schieben sich Kühe von der Melkanlage zurück in den Stall. Hinter dem Fenster von „Kruses Hofmilch“ flitzt Molkerei-Chef Hans-Hinrich Kruse im weißen Kittel durch die Herde. Er prüft den Rohmilchtank, eilt zu einem Behälter. Der Blick fällt auf ein Thermometer. Hat das Wasser zum Hocherhitzen 97 Grad? Frische Milch rauscht in Tanks und Bottiche aus Edelstahl.

Jehoshua Krush, ein schmaler Mann mit langem Bart und Kippa auf dem Kopf, hat sich an eine Säule gelehnt. Er muss noch warten, oft liest er dann in der Thora. Krush ist „Maschgiach“ — ein Lebensmittelkontrolleur der jüdischen Gemeinde in Hamburg. Sonntags überwacht er jeden Schritt in Kruses Unternehmen.

Es ist nach eigenen Angaben Deutschlands einziger Betrieb, der Käse, Quark und Milch nach den jüdischen Speisevorschriften herstellt. An zwei Tagen in der Woche ist in der Molkerei alles koscher. Ein Zehntel der Produktion machen inzwischen jüdische Erzeugnisse aus. Kruse verkauft sie deutschlandweit in Restaurants oder Supermärkten. Kruse hat eine Nische entdeckt, doch dafür muss sich der Molkereichef früh aus dem Bett quälen. Kruse glaubt an seine Geschäftsidee, er wittert, „dass sich da noch etwas auftut“.

Wenn Milchprodukte nicht von Juden produziert werden, muss eine religiöse Person die Arbeitsschritte überwachen. Für Kruses Mitarbeiter bedeutet das, Küchengeräte und Behälter zunächst mit heißem Wasser abzuspülen. Dieser Vorgang zählt zu den jüdischen Qualitäts- und Hygienestandards. Natürlich gehört die sorgfältige Reinigung auch an normalen Produktionstagen zur täglichen Routine, ebenso der Verzicht auf Zusatzstoffe, erklärt Kruse. „Eigentlich ist bei mir immer alles koscher“, versichert er. Milch und Käse sind es für strenggläubige Juden aber erst, wenn ein Rabbiner die Herstellung vor Ort abnimmt.

Heute schaut sich der Lebensmittelkontrolleur besonders genau die feinlöchrigen Käseformen an. Krush achtet auch darauf, dass die Molkerei statt eines Naturlabs aus Kälbermagen einen Ersatzstoff verwendet. So soll die strikte Trennung von Milch und Fleischlichem eingehalten werden. In einem rituellen Moment leert er zwei Schälchen Lab in einen Käsetrog.

Für den letzten Schritt ist Rabbiner Shmuel Havlin zuständig. In einem jüdischen Geschäft in Hamburg klebt er schwarz-weiße Stempel auf Milchtüten, Frischkäse oder Kräuterquark. „Chalaw Israel“ steht auf den Aufklebern. „Chalaw Israel“ ist Milch, die ausschließlich von den koscheren Tieren Ziege, Schaf und Kuh stammt. Die Auszeichnung stellt sicher, dass die Herstellung — vom Melken bis zum Verpacken — von einem Rabbi überwacht worden ist. Wenige Tausend Gläubige zählen zur jüdischen Gemeinde in Hamburg, sagt Havlin. Der Rabbi sei froh, mit Kruses Betrieb einen nahen Hof gefunden zu haben, der sich zuverlässig an die strengen jüdischen Regeln hält.

Neben Havlin türmen sich andere koschere Lebensmittel in Kühlschränken und Regalen: Hühnchen aus Belgien, Schnittkäse aus Frankreich, Oliven aus Israel. Frische koschere Waren aus dem Ausland sind teuer, durch den langen Transport schneller verderblich und schwieriger zu bekommen. Auf manche Milchgenüsse müssen Juden in Deutschland trotz „Kruses Hofmilch“ ganz verzichten. „Bis zum Urlaub wusste mein Kind nicht, wie Eis schmeckt“, sagt Shmuel Havlin.