Garzweiler II: 1400 Menschen behalten ihre Heimat
Abbau verkleinert — 300 Millionen Tonnen Braunkohle bleiben in der Erde.
Düsseldorf. Rot-Grün und Garzweiler — eine schier unendliche Geschichte. Als die erste Auflage der Koalition in Nordrhein-Westfalen 1995 aus der Taufe gehoben wurde, war der Braunkohlentagebau der große Streitpunkt zwischen SPD und Grünen. Mehrfach stand die Koalition vor dem Aus — am Ende setzte sich die SPD durch. Die riesigen Braunkohlebagger konnten anrollen wie geplant.
Fast 20 Jahre später dürfen die Grünen einen kleinen Erfolg verbuchen. Das vom Energieriesen RWE betriebene Abbaugebiet soll nach dem Willen der Landesregierung verkleinert werden. Rund 1400 Menschen im Braunkohlengebiet dürfen darauf hoffen, in ihrer angestammten Heimat bleiben zu können. Sie sollten nach der bisherigen Planung als letzte der insgesamt rund 7600 Bewohner des Abbaugebiets umziehen.
Völlig überraschend traten die Spitzen der Koalition Freitag mit dieser Entscheidung vor die Medien. Nichts war zuvor durchgesickert. „Das ist keine einfache Einigung“, gab NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) unumwunden zu. Für die SPD-Abgeordneten aus der rheinischen Region sei der Beschluss nicht einfach zu vertreten. Dass RWE und die Bergbaugewerkschaft IG BCE von den gekappten Tagebauplänen nicht begeistert seien, räumte Kraft ohne Umschweife ein. Beide hätten am liebsten gesehen, dass alle geplanten Umsiedlungen realisiert würden, sagte sie.
Die Kritik von RWE und Gewerkschaft kam dann auch prompt. Die Vorfestlegung der Landesregierung sei „falsch“, rügte RWE-Chef Peter Terium die Regierungschefin. Der IGBCE-Vorsitzende Michael Vassiliadis nannte die Ankündigung von Rot-Grün „ein leichtfertiges Versprechen“.
Der Umweltverband BUND, der bis vor das Verfassungsgericht vergeblich gegen Garzweiler geklagt hatte, freute sich dagegen über einen „Teilerfolg“. Und auch von den Tagebaugegnern in der Region kam Zustimmung. „Das werten wir als einen großen Erfolg“, sagte der Vorsitzende der Bürgerinitiative Stop-Rheinbraun, Hans Josef Dederichs.
Viele in der Region hatten sich aber mehr erhofft. Im November hatte der Stadtrat von Erkelenz die Vorbereitungen zur Umsiedlung von fünf Ortschaften ausgesetzt. Trotz mehrfacher gegenteiliger Versicherungen von RWE nährten sich bei manchen Hoffnungen, der Energieriese denke wegen mangelnder Rentabilität über ein vorzeitiges Ende des Tagebaus nach. RWE verdient aber an der Braunkohle gut, solange die CO2-Zertifikate durch indirekte Auswirkungen der Energiewende sehr billig sind. Für 2012 hatte der Konzern den Gewinn aus der Braunkohle auf einen dreistelligen Millionenbetrag beziffert.
In der rot-grünen Koalition stünden alle zu der Entscheidung, versicherten Kraft, Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) und die Spitzen der Regierungsfraktionen. Eine neue Koalitionskrise wie in den 90er Jahren fällt damit wohl aus.