Gedenken an Solinger Brandanschlag: "Hier ist meine Heimat"

Der Brandanschlag in Solingen jährt sich zum 20. Mal. Einmal pro Monat besucht die Opfer-Familie Genç den Ort des Geschehens.

Solingen. Schwer stützt sich Mevlüde Genç auf ihren Stock, als sie am Donnerstag am späten Vormittag den Raum betritt. Auch 20 Jahre nach dem Brandanschlag in Solingen sitzt der Schmerz tief, immer wieder aufgerührt durch das jährliche Erinnern, die immer gleichen Fragen, die ihr von Medienvertretern gestellt werden. Hinzu kommt, dass der 70-Jährigen auch ihr Alter immer größere Beschwerden bringt.

Fünf Kastanien stehen heute dort, wo am Pfingstwochenende — am 29. Mai 1993 — das Haus der Familie Genç an der Unteren Wernerstraße von Rechtsradikalen mit Brandbeschleunigern angezündet wurde. In den Flammen kamen Hülya (9) und Hatice Genç (18) sowie Gülüstan Öztürk (12) ums Leben. Gürsün Ince (27) und Saime Genç (4) sprangen vor dem Feuer aus dem Fenster in den Tod. Der damals 15 Jahre alte Bekir Genç erlitt schwerste Verbrennungen, die vielfache Operationen nötig machten. An den Ort des unfassbaren Ereignisses kehren Mevlüde und Durmus Genç einmal im Monat zurück. „Mir würde etwas fehlen, wenn ich nicht dorthin ginge“, sagt sie. „Deshalb haben wir uns ja auch gewünscht, dass dort Bäume gepflanzt werden.“ Mevlüde Genç betont seit 20 Jahren: „Lasst uns Freunde sein“.

„Hier ist meine Heimat“, lässt sie übersetzen. Immer wieder betont die neunfache Großmutter, dass sie gerne mit ihrer Familie in Solingen lebt. Sie war 27 Jahre alt, als sie nach Deutschland kam. „Lasst und Freunde sein“ — diese Botschaft hat sie schon vor 20 Jahren kurz nach dem Brandanschlag gegeben. Und auch heute ist es ihr wichtig zu betonen, dass sie sich Frieden wünscht für alle Kinder und Menschen, egal welcher Hautfarbe und Konfession sie angehören. Die Fremdheit könne nur überwunden werden, wenn der Dialog zwischen Nachbarn stattfindet. Sie praktiziere das, unterstützt von ihren Kindern und Enkeln, die übersetzen helfen. Ihre positive Kraft schöpft sie aus ihrem Glauben.

Fragen, die auf den rechten Terror der NSU und den Prozess Bezug nehmen, weist sie ab. Um ihre Seele zu schützen, verfolge sie die aktuelle Berichterstattung nicht. Sie lebe im Kreise ihrer Familie und Freunde. Sie habe sich über die Ehrungen wie das Bundesverdienstkreuz gefreut, die sie für ihre tolerante und friedvolle Botschaft bekommen hat. Und für die sie auch immer wieder an die Öffentlichkeit geht.