"Gefiederte Rennpferde" und ihre Züchter - Besuch auf der Taubenausstellung

Der Wettbewerb mit Brieftauben ist zum Hobby älterer Herren geworden. Frauen und Jugendliche trifft man nur selten in den Vereinen. Zur großen Taubenausstellung in Dortmund aber kommen alle.

Die Taubenausstellung in Dortmund lockt viele Besucher an.

Foto: Marius Becker

Dortmund (dpa). Der überzeugte Brieftaubenzüchter ist schon bei Sonnenaufgang in der Dortmunder Westfalenhalle. Die Deutsche Brieftauben-Ausstellung ist der wichtigste Termin des Jahres in seinem Kalender. Männer und Frauen, aber doch vor allem Männer, strömen an diesem Wochenende durch die Gänge, getrieben von der Faszination für das „gefiederte Rennpferd“.

Doch die Branche hat zu kämpfen: mit dem fehlenden Nachwuchs, mit den fehlenden Frauen - und mit Tierschützern. „Die Mitglieder sterben uns langsam weg“, beklagt Thomas Dümmermann vom Verband Deutscher Brieftaubenzüchter. Auf rund 40.000 Mitglieder ist sein Verein geschrumpft - von über 100.000 in den 1960er Jahren. Das Durchschnittsalter der Taubenzüchter liegt bei etwa 64. Die Züchter teilen sich in verschiedene Typen.

Wenn er seine Tür öffnet, müssen Gäste erst einmal über einen Berg von Antiquitäten steigen, erzählt Michael Mahr. Der 63-Jährige ist so etwas wie der Archivar beim Brieftaubenverband. Er sammelt alles, was über die Historie Aufschluss gibt: alte Pokale, Medaillen, Urkunden oder Trinknäpfe. Seit einem halben Jahrhundert ist Mahr dem Sport verbunden. Stolz erzählt er von den alten Zeiten: „Früher kam nach dem Ergebnis von Schalke sofort die Frage nach der Taube des Nachbarn auf“. Das habe sich radikal gewandelt. Damals wurden Tauben noch am Gummiring erkannt, heute ist es ein digitaler Chip.

Mit zwölf Jahren zeigte ihm der Opa seinen Taubenschlag - und schon hatte Marcel Krause das Taubenvirus gepackt. Der 22-jährige Lehramtsstudent übernahm die Leidenschaft von seinem Großvater, der sich nun allmählich aus dem Taubensport zurückzieht. „Wenn die Taube von alleine aus Österreich 700 Kilometer wieder nach Hause fliegt, fasziniert mich das“, erzählt Krause. Er ist Sechster bei der Jugendweltmeisterschaft geworden, Neunter beim europäischen Nachwuchs.

Mit einer gewissen Routine trägt Frank Sander seine Urkunde von der Bühne. Das Siegerlächeln ist für den erfolgsverwöhnten Brieftaubenzüchter zur Gewohnheit geworden. Der 46-jährige Diplom-Volkswirt aus Münster ist auf der Ausstellung mit seinem Taubenschlag erneut als Meister ausgezeichnet worden. Das Rezept für seinen Erfolg? „Liebe zum Tier“, verrät Sander. Aber man müsse auch ein Händchen dafür haben. „Das ist schon ein sehr komplexes Hobby“, sagt Sander mit Blick auf Zucht und Haltung. Er sei das ganze Jahr über mit seinen Tauben beschäftigt.

Als Alina Behr von ihrer ungewöhnlichen Leidenschaft berichtet, steht ihr Großvater daneben und strahlt. Die 17-Jährige macht es seit ein paar Jahren ihrem Opa nach und eifert ihm mit den Brieftauben nach. Sie ist in doppelter Hinsicht ein Exot unter den Züchtern: jung und weiblich. „Das ist beeindruckend, wie die fliegen“, sagt Behr über das „Rennpferd des kleinen Mannes“. Im vergangenen Jahr kam die „schönste Taube der Jugend“ aus ihrem Stall.