Gericht hält Wisent-Streit in der Schwebe
Zwar wird der Verein, der die Tiere im Rothaargebirge ausgewildert hat, verurteilt, Schäden der Waldbauern zu verhindern. Doch auch die Behörden müssen noch mitspielen.
Hamm. Sie werden weiter durch die gerichtlichen und behördlichen Instanzen ziehen — die Wisente vom Rothaargebirge beziehungsweise der für ihre Auswilderung zuständige Wisentverein. Denn das Oberlandesgericht Hamm fällte am Montag eine Entscheidung, in der noch Wenn’s und Aber’s versteckt sind.
Zusammengefasst sagten die Richter: Der Wisentverein muss etwas dagegen tun, dass die ausgewilderten Tiere die Bäume der klagenden Waldbauern beschädigen. Er muss solche Maßnahmen aber nur dann treffen, wenn die für den Naturschutz zuständigen Behörden ihm eben dies erlauben. Im übrigen könne der Verein auch noch Revision beim Bundesgerichtshof einlegen. Mit anderen Worten: Die Wisente bzw. ihre Fürsprecher können, wie es immer so schön heißt, nach Karlsruhe gehen.
Die Vorgeschichte: Im April entließ der Wisentverein — Vereinszweck: Wiederansiedlung und Erhaltung des Wisents im Rothaargebirge — mit behördlicher Zustimmung eine achtköpfige Herde bei Bad Berleburg (Südwestfalen) in die Freiheit. Mittlerweile ist die Herde auf 20 Tiere gewachsen. In einem Vertrag mit den Behörden war 2013 vereinbart worden, dass die in Freiheit lebende Wisentpopulation maximal 25 Tiere zählen dürfe.
Doch nicht jeder war begeistert von diesem Projekt: Waldbauern beklagten, dass die auch Europäische Bisons genannten Tiere ihre Buchen „schälten“, das heißt, deren Rinde abfraßen. Das könne zur Folge haben, dass die Buchen absterben. Auch hatte vor knapp einem Jahr eine Wisentkuh eine Wanderin angegriffen und verletzt.
Dieser Fall spielte vor Gericht indes keine Rolle, hier ging es ausschließlich um die Klage der Waldbauern. Diese wollten sich nicht damit zufrieden geben, dass die „Schälschäden“ aus einem aus mehreren Quellen gespeisten Schadensfonds ersetzt wurden. Sie selbst könnten sich ja nicht wehren, da sie als Waldbesitzer nicht berechtigt seien, ihren Wald mit Zäunen abzusperren, da das Betreten des Waldes für jedermann gesetzlich möglich sein muss. Sie verlangen, dass der Wisentverein dafür sorgt, dass die Wisente nicht mehr ihre Grundstücke betreten.
Der Verein hingegen argumentiert, die Wisente seien nach ihrer Auswilderung längst herrenlos. Und was herrenlos ist, auf dessen Verhalten habe man keinen Einfluss. Auch sei es dem Verein verboten, die unter Naturschutz stehenden Tiere zu stören oder einzufangen.
Schon das Landgericht Arnsberg hatte den Wisentverein im Herbst 2015 verurteilt, „die geeigneten Maßnahmen zu ergreifen“, dass die Tiere die Waldgrundstücke der Kläger nicht mehr betreten. Genauso sieht es nun auch das Oberlandesgericht Hamm. Zwar teilen die Richter durchaus die Ansicht des Wisentvereins, dass die Tiere mehrere Jahre nach der Auswilderung nunmehr „herrenlos und wild lebend“ seien. Dennoch sei der Verein als „Störer“ für sie verantwortlich. Er habe die Tiere nicht nur ausgewildert und ihre Vermehrung gefördert. Er sei auch in der Lage, die Tiere einzufangen und zu „immobilisieren“, also ihre Bewegungsfreiheit einzuschränken.
Nun sehen auch die Richter des Oberlandesgerichts, dass dies nur die zivilrechtliche Seite des Problems ist. Da ist nämlich noch das Bundesnaturschutzgesetz. Und dieses Gesetz halte die Hand über die Wisente — als „eine besonders geschützte wild lebende Art“. Das heißt: Sie müssen in Ruhe gelassen werden.
Aus dieser Klemme käme man nur dann heraus, wenn die Naturschutzbehörde eine Ausnahmegenehmigung erteilt — dass nämlich die unter Schutz stehenden Tiere doch eingefangen werden dürften. Pikanterweise muss nun, so verlangen es die Richter, der Wisentverein selbst den Antrag bei der Behörde stellen, der doch so gar nicht in seinem Interesse liegt: dass er die Tiere einfangen darf und dann — wie auch immer — von den Buchen der Kläger fernhält.
Die Richter spielen also den Ball weiter an die Behörden. Oder auch an den Bundesgerichtshof, den der Wisentverein noch anrufen kann, wenn er mit dem Urteil nicht einverstanden ist. Noch also können die Wisente ihre Freiheit genießen. Und die Früchte respektive die Rinde des verbotenen Baumes. Es ist auch ein Aufschub für die Wirtschaft in der Region. Der Wisentverein nennt die Tiere einen „Tourismusmagnet“.