Ermittlungen Germanwings: Nur einer soll schuld sein?

Opferanwalt will gegen die Einstellung des Todesermittlungsverfahren vorgehen. Zivilrechtlich geht die Aufarbeitung erst los.

Düsseldorf. „Für die Angehörigen ist das natürlich belastend.“ Das sagt Christof Wellens in einer ersten Reaktion auf die Nachricht, dass das Todesermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Düsseldorf zum Absturz der Germanwings-Maschine im März 2015 in den französischen Alpen eingestellt werden soll. Doch der Mönchengladbacher Rechtsanwalt sagt auch: „Für unsere Tätigkeit ist das völlig nebensächlich“.

Wellens betreibt die zivilrechtlichen Verfahren für etwa 100 Angehörige von Todesopfern des Absturzes — gerichtet auf Schadensersatz und Schmerzensgeld

Wellens findet es allerdings nicht in Ordnung, dass es kein Strafverfahren geben soll. „Das deckt sich nicht mit den Erwartungen der Angehörigen.“ Zwar wäre der Co-Pilot, wenn er nicht selbst zu Tode gekommen wäre, wegen Mordes angeklagt worden. Aber da seien, so Wellens, doch noch eine Reihe anderer Verantwortlicher. Der eine oder andere der Ärzte, bei denen der Co-Pilot zuvor wegen seiner psychischen Probleme in Behandlung war, hätte schon reagieren können oder müssen.

Wellens sieht die Ermittlungen der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft „nicht von großem Eifer geprägt“. Er weist aber darauf hin, dass auch noch in Frankreich ein Ermittlungsverfahren laufe, gesteuert von drei Untersuchungsrichtern. Und da, in Frankreich, seien auch seine Mandanten aus 35 Familien der Todesopfer als sogenannte partie civile beteiligt. Das entspreche dem Nebenkläger-Status im deutschen Strafprozess. Ein Nebenkläger hat bestimmte Rechte im Strafprozess, er darf Zeugen und Angeklagte befragen. Wellens betont auch, dass Frankreich, anders als Deutschland, das Unternehmensstrafrecht kenne. Das heißt, dort drohe auch dem Unternehmen Germanwings bzw. dessen Muttergesellschaft Lufthansa eine Strafe.

Doch Wellens setzt vielmehr auf die zivilrechtliche Schiene, die streng von der strafrechtlichen zu trennen sei. Dabei geht es nicht um strafrechtliche Verantwortlichkeit, sondern um die Haftung der Unternehmen Lufthansa/Germanwings als Arbeitgeber des Co-Piloten, der die Maschine zum Absturz brachte. „Hier hat das ganze System versagt“, sagt Wellens. Er spricht von dem Unterlassen von Lufthansa/Germanwings, die hinsichtlich des Co-Piloten trotz dessen gesundheitlicher Vorgeschichte nicht reagiert hätten. Daher hafte das Unternehmen — und zwar ganz unabhängig davon, wie die Sache strafrechtlich beurteilt werde — zivilrechtlich mit Schadensersatz und Schmerzensgeld.

Dabei geht es um hohe Summen. Wellens hält sechsstellige Schmerzensgeldansprüche für jeden der Angehörigen für erwartbar. Hinzu kämen auch Schmerzensgeldansprüche der Hinterbliebenen. Und (auf die Erben übergegangene) Schmerzensgeldansprüche der Getöteten, die in den letzten zehn Minuten ihres Lebens wohl grausame Qualen erlitten haben müssen. Des Weiteren die Unterhaltsansprüche der Angehörigen, die beim Absturz der Maschine einen Unterhaltspflichtigen verloren haben. Allein diese Ansprüche gingen in die Millionen, sagt Wellens.

Die Klagen sollen laut dem Rechtsanwalt spätestens Ende März erhoben werden, wenn bis dahin keine Verhandlungslösung gefunden werde. In den USA laufen bereits jetzt Klagen gegen die Flugschule der Lufthansa. Die Klagen hier würden in verschiedenen europäischen Ländern erhoben.

Doch auch die strafrechtliche Schiene des Falles ist längst noch nicht abgeschlossen. Der Ratinger Rechtsanwalt Klaus Brodbeck ist ganz und gar nicht damit einverstanden, dass die Ermittlungen eingestellt werden sollen. Er vertritt einen Mann, der seine Tochter, seinen Schwiegersohn und seinen damals 18 Monate alten Enkel bei dem Absturz verloren hat. Die Strafanzeige zielte darauf ab, dass neben dem Co-Piloten auch andere Personen strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen seien. Weil sie nichts unternahmen, um den Co-Piloten am Fliegen zu hindern, obgleich ihnen sein psychischer Zustand bekannt war.

Anwalt Brodbeck: „Die notwendigen Ermittlungen, zum Beispiel die Vernehmung der Fliegerärzte, der Eltern, der Freundin und der Hausärztin sind unterlassen worden. Deren Erkenntnisse sind nicht erfragt, der Sachverhalt ist gar nicht ermittelt worden. Damit hat der Staatsanwalt seine Pflichten verletzt.“ Sobald der Einstellungsbescheid da sei, so kündigt Brodbeck an, werde er im Namen seines Mandanten ein Klageerzwingungsverfahren anstrengen. Ein Verfahren, in dem gerichtlich weitere Ermittlungen angeordnet werden. „Die Richter werden sich solche Pflichtverletzungen der Staatsanwaltschaft nicht gefallen lassen“, sagt Brodbeck voraus.