Wuppertal Germanwings-Absturz: Ein Vater auf der Suche nach der Wahrheit
Klaus Radner hat Tochter, Schwiegersohn und Enkel bei der Germanwingstragödie verloren. Er klagt nun gegen die Ärzte des Co-Piloten.
Wuppertal/Düsseldorf. Klaus Radner sitzt am Schreibtisch in seinem Düsseldorfer Büro, darauf liegen mehrere Stapel Papier. „Das ist noch nicht alles“, sagt er mit einem Blick auf mehrere Ordner im Regal. Darin sind Dokumente, Berichte, Protokolle, die der 60-jährige Unternehmer über ein Jahr lang gesammelt hat. Das Thema: Der Flugzeugabsturz der Germanwings-Maschine im März 2015. Radner verlor dort seine Tochter Maria, seinen Schwiegersohn Sascha Schenk und seinen Enkel Felix - alle drei lebten zuvor in Wuppertal.
Am 24. März saß die kleine Familie im Flieger auf dem Weg aus Barcelona nach Düsseldorf, als der Co-Pilot ihn in den französischen Alpen zum Absturz brachte und 149 Menschen mit in den Tod riss. Mit Absicht, wie sich später herausstellte. Denn: der Co-Pilot litt unter Depressionen.
Und — auch das wurde später klar — diese Depression war lange bekannt. Schon während der Ausbildung trat sie auf. Fünf Monate pausierte er deswegen. Im Anschluss — im April 2009 — beantragte er eine Untersuchung, um seine Tauglichkeit festzustellen. Nach Konsultationen verschiedener Ärzte wurde ihm diese am 14. Juli 2009 von einem der Fliegerärzte verweigert — am selben Tag erteilte ihm jedoch ein anderer Arzt ebendiese Tauglichkeit doch noch. „Ich verstehe das nicht. Das möchte ich erklärt haben“, sagt Klaus Radner.
Überhaupt sei er gemeinsam mit seinem Rechtsbeistand Klaus Brodbeck auf jede Menge Ungereimtheiten gestoßen. Schon beim Antrag für die Tauglichkeitsuntersuchung hatte der damals angehende Pilot Fragen nach psychischen Erkrankungen mit „Nein“ beantwortet — gelogen also. Trotzdem wurde er später eingestellt. Außerdem fehlen in den Akten der Ärzte Protokolle über psychologische Untersuchungen. „Letztere Untersuchungen haben offensichtlich nicht stattgefunden. Die erforderlichen Untersuchungsberichte finden sich nicht in der fliegerärztlichen Akte“, schreibt Radner dazu in seiner Strafanzeige. Zudem seien bei einer psychischen Vorerkrankung regelmäßige Untersuchungen notwendig — auch die hätten offenbar nicht stattgefunden.
Viele dieser Tatsachen finden sich auch im Abschlussbericht der französischen Flugunfall-Ermittlungsbehörde (BEA), der auch der Staatsanwaltschaft Düsseldorf vorliegt. Die Ergebnisse der BEA würden zurzeit übersetzt — so die Information, die man Radner gegeben hat. Warum er die Recherche und Klage auch selbst in die Hand genommen hat? „Ich wollte Herr des Verfahrens bleiben“, sagt er. In den USA gebe es bereits eine Sammelklage gegen die Flugschule, in der der Unglückspilot gelernt habe. Das reiche Radner aber nicht aus. Die Strafanzeige hat er Ende April bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main eingereicht — dort sitzt das Aeromedical Center der Lufthansa, also die Ärzte, die für die Piloten zuständig sind. Von dort hörten er und Rechtsbeistand Brodbeck erstmal nichts. „Wir haben den leisen Verdacht, dass die Hemmungen haben, sich an so ein großes Unternehmen zu trauen“, sagt Brodbeck. Inzwischen haben die Frankfurter die Anzeige an die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft weiter gegeben. „Es stimmt, dass eigentlich der Tatort dafür ausschlaggebend ist, welche Staatsanwaltschaft zuständig ist. In diesem Fall gibt es aber mehrere Tatorte. Daher bündeln wir die Klagen hier“, sagt Oberstaatsanwalt Ralf Herrenbrück, Sprecher der Staatsanwaltschaft Düsseldorf.
In einem anderen Regal in Radners Büro stehen mehrere Bilderrahmen mit Fotos. Maria als Kind, als Jugendliche, später mit ihrem Mann Sascha, auch Bilder von Felix sind dabei. Die Fotos zeigen eine junge Familie — glücklich. 2011 ist Maria zu ihrem Mann nach Wuppertal gezogen. Das Haus in Cronenberg haben sie selbst renoviert. 2013 kam dann Felix zur Welt. „Ich glaube die Jahre in Wuppertal waren die glücklichsten, die sie hatten“, sagt Klaus Radner und blickt wieder auf seine Akten. „Ich bin es ihnen einfach schuldig, die Sache aufzuklären.“ Jeder gehe mit Trauer anders um. „Ich selbst möchte mir aber später nicht vorwerfen, irgendeine Frage nicht gestellt zu haben“, sagt Radner.