Geschichtsstunde mit Joschka

Regisseur Pepe Danquart spricht über seinen neuen Film „Joschka und Herr Fischer“ und über Alphatiere in der Politik.

Herr Danquart, Sie zeigen Joschka Fischer, wie er 140 Minuten lang in einem Studio an einem Dutzend großer Bildschirme vorbeischlendert und die deutsche Nachkriegsgeschichte kommentiert. Was wollten Sie damit erreichen?

Danquart: Der Film ist ja kein Portrait. Joschka Fischer dient mir für eine Zeitreise durch 60 Jahre deutsche Geschichte, die so wohl noch nicht erzählt wurde. Die außerparlamentarischen Bewegungen, die jetzt mit Stuttgart 21 und Gorleben auch wieder erstarken, das alles hat ja dieses Land entspannter gemacht. Bis in die 60er war Deutschland von der Generation der Naziväter bestimmt. Und dann kam dieser Aufbruch, aber der fiel nicht vom Himmel. Dem gingen Kämpfe voraus. Die zeigt der Film.

Bei den Grünen wurde lange diskutiert, ob die Partei überhaupt in die Parlamente will. Da wurde schon deutlich, dass Fischer kein Mann für die zweite Reihe war. Er wollte in die Regierung, er wollte Macht, war ein Alphatier wie viele andere Politiker.

Danquart: Ich glaube, sonst braucht man nicht in die Politik zu gehen. Alphatiere gibt es nicht nur da, mir wird das auch gelegentlich nachgesagt. Das muss man sein, um etwas Besonderes leisten zu wollen.

Joschka Fischer spricht in Ihrem Film nicht über die Agenda 2010 und die Unterstützung der Amerikaner im Irakkrieg. Sehr selbstkritisch präsentiert er sich ja nicht.

Danquart: Na ja, das sehen andere aber anders. Ich meine, wie oft sagt ein Staatsmann schon — so wie er über seine Zeit als hessischer Umweltminister — „Ich habe alles falsch gemacht“?

Er kokettiert aber auch gerne.

Danquart: Ob man das so sieht, hängt wohl von der Haltung ab, die man zu ihm hat. Und jeder in diesem Land hat ein Verhältnis zu Joschka Fischer, positiv oder negativ. Bei anderen — Merkel oder Schröder zum Beispiel — ist das nie so emotional gewesen.

Warum hat Joschka Fischer der Teilnahme an Ihrem Filmprojekt zugestimmt? Wollte er ein bestimmtes Bild von sich hinterlassen?

Danquart: Er wollte erst gar nicht mitmachen und hat gefragt, ob der Film wirklich wichtig sei. Ich habe ihm erklärt, dass es kein Film über ihn ist, sondern über 60 Jahre Deutschland. Da unterschätzen Sie ihn. Da ist er komplett uneitel.

Uneitel wirkt er nicht gerade, etwa wenn er im Film sagt, der Rummel um seinen Turnschuh-Amtsantritt in Hessen sei ihm peinlich gewesen. Oder dass man nach Wahlsiegen doch keine Freude empfinden könne. Das klingt sehr nach dem aufopferungsvollen Staatsmann.

Danquart: Natürlich hat er eine gewisse Eitelkeit, und sicher kokettiert er auch. Er weiß genau, wie er vor der Kamera rüberkommt. Obwohl er im Film auch zwischen Privat- und Staatsmann schwankt, weil er zwischendurch vergisst, in welcher Situation er sich befindet. Und weil er auch berührt ist von der eigenen Geschichte.

Viele Anhänger von damals sind enttäuscht, dass Joschka Fischer heute Unternehmen wie Siemens, BMW und RWE berät. Warum haben Sie ihn dazu nicht befragt?

Danquart: Weil ich verstehe, wenn einer sagt: Auch der stärkste Arm erlahmt einmal, ich habe mich an meiner Partei erschöpft. Und dass er dann eine private Firma gegründet hat — was übrigens auch nicht jeder Politiker tut, die stehen meist bei einem großen Konzern in Lohn und Brot — interessiert mich nicht. Mich hat der politische Mensch interessiert.